Anträge und Statements der Anwält*innen am ersten Prozesstag

Am ersten Verhandlungstag, Donnerstag den 18. Januar 2024, wurde neben der Prozesserklärung der Angeklagten Statements der Verteidiger*innen gehalten. Diese haben wir hier dokumentiert.


Einstellungsantrag von Rechtsanwältin Franziska Nedelmann

In der Strafsache wird beantragt das Verfahren gem. § 260 Abs. 3 StPO aufgrund einer Kumulation von Verstößen gegen das Rechtsstaatsprinzip aus Art. 20 Abs. 3 GG und gegen Art. 6 EMRK wegen eines nicht behebbaren Verfahrenshindernisses einzustellen.

Das in der StPO kodifizierte Strafverfahrensrecht sieht keine explizite Möglichkeit zur Verfahrensbeendigung aufgrund rechtsstaats-und konventionswidrigen staatlichen Handelns vor. Jedoch kann – wie sich aus der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zu überlangen Verfahren vor Einführung der Verzögerungsrügemöglichkeit ergibt – von Verfassung wegen ein Verfahrenshindernis unmittelbar aus dem Rechtsstaatsgebot des Grundgesetzes abgeleitet werden, wenn keine andere Möglichkeit besteht, dem Rechtsstaatsprinzip Genüge zu tun (vgl. BGH StV 1985, 398 f) und wenn es ausgeschlossen erscheint, dass bei einer Fortsetzung des Verfahrens mit rechtsstaatlichen Mitteln in einer rechtsstaatlich noch hinnehmbaren Frist zu einer gerechten Entscheidung in Form eines Sachurteils gelangt werden kann.

Dies ist hier der Fall.

Das Bild, das die Anklageschrift von meiner Mandantin und den weiteren Angeklagten zeichnet, steht sinnbildhaft dafür, wie Polizei und Strafverfolgungsbehörden – gegen alle rechtsstaatlichen Grundsätze – versuchen, unliebsamen Protest zu kriminalisieren.

Dies zeigt sich vor allem in einem Verständnis der grundgesetzlich geschützten Versammlungsfreiheit durch die Exekutive, das einem demokratischen Rechtsstaat nicht würdig ist.

Meine Mandantin und die weiteren Angeklagten sollen aus Sicht der Anklagebehörde am 7. Juli 2017 einen „Aufmarsch“ geplant und durchgeführt haben, der das Ziel hatte, durch von vornherein unfriedliches und gewaltbereites Auftreten Polizeikräfte zu provozieren, zu binden und gewaltsam zu attackieren. Dieser Plan sei dann umgesetzt worden.

Allerdings kann die Anklagebehörde nicht sagen, was meine Mandantin und die anderen Angeklagten eigentlich konkret gemacht und gewusst haben sollen. Und so wird aus der bloßen Anwesenheit vor Ort eine kriminelle Handlung gemacht, die seit über 6 ½ Jahren die Strafverfolgungsbehörden – konkret die eigens dafür gegründete „Soko Schwarzer Block“ – und die Justiz beschäftigt.

Vor diesem Hintergrund ist es rechtlich unmöglich, hier einfach routiniert das strafprozessuale Schema durchlaufen zu lassen und in die Beweisaufnahme einzutreten. Denn die Rechtsverstöße, unter denen diese Anklage zustande gekommen ist, sind so erheblich, dass sie nur die Einstellung des Verfahrens zur Folge haben können.

Worum geht es konkret?

Es geht zum einen darum, dass vor, während und nach dem G20-Gipfel durch Polizei und Staatsanwaltschaft gezielt und wider besseres Wissen das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit missachtet wurde (dazu unter I). Und es geht um Feindbilder, die hier vermeintlich mit den Mitteln des Strafrechts aufgebaut und gefüttert werden sollen. Es soll an den hier Angeklagten ein Exempel statuiert werden und eine rechtsstaatswidrige juristische Diskursverschiebung zurück ins letzte Jahrhundert stattfinden unter der Überschrift: Das Demonstrationsrecht ist keine Säule der demokratischen Willensbildung, sondern deren Ausübung stellt einen Angriff auf die Machthabenden dar, der – ganz in autoritärer Manier – bekämpft werden muss, ohne dass es dafür eine gesetzliche Grundlage gibt (dazu unter II).

I. Versammlungsfreiheit

Das Bundesverfassungsgericht hat mit seiner Brokdorf-Entscheidung 1985 deutlich gemacht, dass das Grundrecht der Versammlungsfreiheit aus Art. 8 GG als selbstverständliches Recht verstanden werden muss. Versammlungs- und Meinungsfreiheit gehören daher, so das BVerfG, zu den „unentbehrlichen und grundlegenden Funktionselementen eines demokratischen Gemeinwesens“. Das Gericht betont, dass „das Recht, sich ungehindert und ohne besondere Erlaubnis mit anderen zu versammeln“, seit jeher als „Zeichen der Freiheit, Unabhängigkeit und Mündigkeit des selbstbewussten Bürgers“ galt.

Das Grundrecht, sich ungehindert und ohne besondere Erlaubnis mit anderen zu versammeln, ist für die Staatsgewalt bindend, so sieht es das Rechtsstaatsprinzip vor. Also hat auch die Exekutive zu gewährleisten, dass von diesem Grundrecht Gebrauch gemacht werden kann.

Anders jedoch in Hamburg im Jahr 2017. Zwar versprach Innensenator Grote großspurig, in Hamburg werde ein „Festival der Demokratie“ stattfinden. Die Vorbereitungen der Innenbehörde jedoch waren alles andere als festlich Sie bilden das Gerüst des gesamten rechtsstaatswidrigen Umgangs mit den G20-Protesten.

So wurde Polizeidirektor Hartmut Dudde zum Leiter des Vorbereitungsstabes und zum Polizeiführer der Einsätze rund um das Gipfeltreffen benannt. Mit dieser Personalentscheidung waren die Weichen für harte und eskalierende Auseinandersetzungen gestellt. Denn Hartmut Dudde war kein unbeschriebenes Blatt: Seine Karriere machte er unter dem Rechtspopulisten und früheren Innensenator Ronald Schill. Während seiner Zeit in der Gesamteinsatzleitung der Bereitschaftspolizei hat er mehrfach Rechtsbrüche begangen: rechtswidrige Einkesselungen von Versammlungsteilnehmenden, Ingewahrsamnahmen, Auflösungen von Versammlungen – immer wieder mussten Gerichte feststellen, dass die Hamburger Polizei unter der Leitung von Hartmut Dudde gegen das Versammlungsrecht und die Grundrechte der Protestierenden verstoßen hat (vgl. Kleine Anfrage von Christiane Schneider (DIE LINKE) vom 10.03.2015). Die behelmten Hundertschaften versteht er als „Gefahrengemeinschaft“, die ihre eigene Ordnung mit den polizeilichen Gewaltmitteln durchsetzt (vgl. Bericht zur Demonstrationsbeobachtung des Komitees für Grundrechte und Demokratie vom 2. bis 8. Juli 2017 in Hamburg zum G20). Kurz vor dem Gipfelbeginn gab er intern gegenüber den Einsatzkräften dann auch die entsprechende Parole aus: Ein Wasserwerfer habe keinen Rückwärtsgang. Nicht Blockaden, sondern erfolgreiche Straßenräumungen seien zu melden (vgl. Maik Baumgärtner et al.: Abgebrannt. Der Spiegel 29/15. Juli 2017, S. 12–20, Zitat S. 14).

Um erfolgreichen Straßenräumungen den Weg zu bereiten, wurde vor Beginn des Gipfels eine Allgemeinverfügung erlassen, die eine 38 qkm große Demonstrationsverbotszone an den Gipfeltagen im Hamburger Zentrum statuierte. Diese Verbotsverfügung war flankiert von den Äußerungen des damaligen Innensenators Grote, dass der Schutz der Gipfelteilnehmer grundsätzlich Vorrang haben müsse vor der Versammlungsfreiheit.

Entsprechend dieser Vorgaben verhielten sich dann auch die in Hamburg eingesetzten Polizeieinheiten.

Von vornherein hatte die Polizei immer wiederholt, dass Protestcamps in Hamburg nicht stattfinden dürften. Polizei und Politik warnten vor Camps als Hort „gewaltbereiter Aktivist*innen“. Versuche, Camps anzumelden, wurden mit fadenscheinigen Argumenten abgelehnt. Obwohl in der Folge gerichtlich festgestellt wurde, dass auch Protestcamps unter dem Schutz von Art. 8 GG stehen – dass also auch Schlaf-und Küchenzelte errichtet werden dürften – blockierte die Polizei in offenkundig bewusst rechtswidriger Manier das Camp in Entenwerder, stürmte es sogar nachts unter Einsatz von Pfefferspray und unter Anwendung von Gewalt, um die aufgebauten Schlafzelte zu beschlagnahmen. Für Herrn Dudde waren es vielleicht so etwas wie Polizeifestspiele. Ein „Fest der Demokratie“ sieht anders aus.

Am Abend des 6. Juli 2017, also noch vor Inkrafttreten der Allgemeinverfügung, griff die Polizei die erste Gegendemonstration zum G20-Gipfel „Welcome to Hell“ an: Nachdem Demonstrationsteilnehmer*innen dazu aufgefordert wurden, ihre Vermummungen abzulegen, zogen Doppelreihen behelmter und bewaffneter Polizeieinheiten (vor allem BFE-Trupps) neben der Demonstration auf. Mit Schlagstöcken, Wasserwerfern und Pfefferspray schlug die Polizei zu und drängte die Demonstrierenden an die zwei Meter hohe Flutmauer. Gegen Menschen, die versuchten, sich über die Mauer in Sicherheit zu bringen, wurden Wasserwerfer eingesetzt, genauso wie gegen die Demonstration und die umstehenden Menschen, die sich auf den Terrassen, der Brücke befanden. Es herrschte Chaos, viele Menschen wurden verletzt.

Ähnliche Bilder von panischen Menschen und verletzten Demonstrierenden werden wir am Folgetag auch am Rondenbarg sehen.
Die polizeilichen Maßnahmen am Abend des 6. Juli 2017 hatten nach dem Eindruck des Komitees für Grundrechte, die eine Demobeobachtung organisiert hatte, allein das Ziel, zu eskalieren und die Versammlung zu zerschlagen – und nicht etwa potentielle Straftäter zu verfolgen.

Vor diesem Hintergrund setzte sich – so auch die Aktenlage – am Morgen des 7. Juli 2017 ein Demonstrationszug mit Plakaten, Fahnen und Megaphon und Sprechchören aus dem Protestcamp am Volkspark in Bewegung.

In dem nicht zu verlesenden wesentlichen Ermittlungsergebnis der Anklage heißt es hierzu:
„Unzweifelhaft handelte es sich bei dem Aufmarsch der Beschuldigten, der in den Ausschreitungen im Rondenbarg gipfelte, nicht um eine Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetztes.“

Mit dieser Auffassung stellt sich die Staatsanwaltschaft gegen jede Definition dessen, was nach dem Grundgesetz unter einer Versammlung zu verstehen ist. Bereits der Umstand, dass die Staatsanwaltschaft – wie sie weiter im wesentlichen Ermittlungsergebnis der Anklageschrift ausführt – meint, dass schon die fehlende Anmeldung und das fehlende Benennen einer Versammlungsleitung der Demonstration gegen das Vorliegen einer Versammlung spreche, ist rechtlicher Unsinn. Wird der Verpflichtung zur Anmeldung einer Demonstration nicht nachgekommen, so stellt dies zwar unter Umständen einen Rechtsverstoß dar, er nimmt einer Demonstration jedoch keinesfalls den grundrechtlich geschützten Versammlungscharakter.

Auch obliegt es den Demonstrierenden, Ort und Zeit und Art und Weise der Versammlung zu bestimmen und nicht etwa der Polizei oder der Staatsanwaltschaft, so die gefestigte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Insofern geht das weitere Argument der Staatsanwaltschaft, von einer Versammlung könne schon deswegen nicht gesprochen werden, weil der Ort nicht zur Kundgabe einer Meinung geeignet sei, ebenfalls fehl und ist eher geeignet, einen Eindruck des staatsanwaltschaftlichen Wunschdenkens von einem obrigkeitsstaatlichen Demonstrationsrecht zu vermitteln.

Dass die Staatsanwaltschaft allerdings ihrer eigenen Argumentation nicht recht traut, wird daran deutlich, dass sie – um dem Demonstrationszug den Versammlungscharakter abzusprechen – weiter behauptet, dass lediglich friedliche Versammlungen den Schutz des Art. 8 GG genießen, es sich hier aber um eine insgesamt unfriedliche Demonstration gehandelt habe. Hier unterschlägt die Staatsanwaltschaft schlicht und einfach die Vorgaben, die das Bundesverfassungsgericht zum Umfang des Schutzes des Versammlungsrechts macht.

Ich möchte zur Verdeutlichung dessen die Formulierung der Staatsanwaltschaft den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts in seiner Brokdorf-Entscheidung gegenüberstellen.

Die Staatsanwaltschaft Hamburg führt in der Anklageschrift aus (S. 32):
„An die Friedlichkeit sind dabei zwar keine übersteigerten Anforderungen zu stellen. Insbesondere kann nicht jede Rechtsverletzung den Vorwurf der Unfriedlichkeit begründen. Unfriedlichkeit liegt erst dann vor, wenn Gewalttätigkeiten stattfinden, wie Ausschreitungen gegen Personen oder Sachen.“

Dagegen das Bundesverfassungsgericht in dem Brokdorf-Beschluss vom 14.05.1985 (1 BvR 233/81, 1 BvR 341/81, Rn 92):
„Würde unfriedliches Verhalten Einzelner für die gesamte Veranstaltung und nicht nur für die Täter zum Fortfall des Grundrechtsschutzes führen, hätten diese es in der Hand, Demonstrationen ‚umzufunktionieren‘ und entgegen dem Willen der anderen Teilnehmer rechtswidrig werden zu lassen.“

An dieser Stelle ist es wichtig, erneut zu betonen: Keiner der hier auf der Anklagebank sitzenden Personen wird vorgeworfen, unfriedliche Handlungen oder gar Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen begangen zu haben. Trotzdem unterschlägt die Staatsanwaltschaft einfach eines der wesentlichen Kriterien in der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung zum Schutz des Versammlungsrechts, dass nämlich das unfriedliche Verhalten Einzelner keinesfalls dazu führen kann, der gesamten Versammlung den Schutz von Art. 8 GG zu entziehen, bzw. alle Demonstrationsteilnehmer*innen zu kriminalisieren.

Den entscheidenden Dreh meint die Staatsanwaltschaft vorliegend in der Behauptung gefunden zu haben, dass die Demonstrierenden vom Morgen des 7. Juli 2017 gleichzusetzen seien mit einer Gruppe von zur Gewaltanwendung entschlossenen Hooligans. Sie bezieht sich dabei auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes, in der es um Hooligans ging, die in einer festen Formation von jeweils 3 Personen in einer Reihe nebeneinander und im Gleichschritt auf eine andere Gruppe von Hooligans zulief, mit der sie sich vorher zu einer Schlägerei verabredet hatten. Die Schlägerei fand in Folge auch zwischen den Gruppierungen statt, vgl. BGH, Urteil vom 24. Mai 2017 – 2 StR 414/16 –, BGHSt 62, 178-184.

Der Bundesgerichtshof hatte in diesem Fall entschieden, dass sich alle Personen, die im Gleichschritt und in Formation mitgelaufen waren, des Landfriedensbruchs schuldigt gemacht hatten, unabhängig davon, ob man ihnen eine konkrete Beteiligung an den Gewalthandlungen nachweisen konnte.

Diese Entscheidung auf die Ereignisse am Rondenbarg anzuwenden, ist der gezielte Versuch der Staatsanwaltschaft, das Demonstrationsrecht auszuhebeln. Es ist der Versuch, einen „chilling effect“ zu produzieren: Menschen sollen zukünftig davon abgehalten werden zu demonstrieren, da über ihnen ansonsten sofort das Damoklesschwert der Strafbarkeit hängt, wenn es aus der Demonstration heraus zu Gewalttätigkeiten kommt.

Der Bundesgerichthof hingegen hat mit der Hooligan-Entscheidung selbst deutlich gemacht, dass er damit keinesfalls von der Brokdorf-Rechtsprechung abweichen wollte. Er führte aus:

„Alle Teilnehmer der Menschenmenge verfolgten einzig das Ziel, geschlossen Gewalttätigkeiten zu begehen. Dadurch unterscheidet sich dieser Fall der „Dritt-Ort-Auseinandersetzung“ gewalttätiger Fußballfans von Fällen des „Demonstrationsstrafrechts“, bei denen aus einer Ansammlung einer Vielzahl von Menschen heraus Gewalttätigkeiten begangen werden, aber nicht alle Personen Gewalt anwenden oder dies unterstützen wollen.“

Diese Argumentation des BGH dreht nun die Staatsanwaltschaft einfach um und unterstellt – ohne dafür im Fall der einzelnen Angeklagten irgendwelche tatsächlichen Anhaltspunkte zu haben – also ganz im Gegensatz zur Hooligan-Entscheidung des BGH, dass alle Personen, die im Rondenbarg durch die Polizei festgenommen wurden, vorher Gewalt anwenden oder diese unterstützen wollten.

Mit dieser Unterstellung will die Staatsanwaltschaft eine Ausweitung der Strafbarkeit des Landfriedensbruchs und damit eine Einschränkung des Demonstrationsrechts erreichen, wie wir sie aus den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts kennen. Damals lautete der § 125 StGB wie folgt:

„Wenn sich eine Menschenmenge öffentlich zusammenrottet und mit vereinten Kräften gegen Personen oder Sachen Gewalthätigkeiten begeht, so wird jeder, welcher an dieser Zusammenrottung Theil nimmt, wegen Landfriedensbruchs mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu 5 Jahren bestraft.“

Angesichts des massiven Grundrechtseingriffs, der damals mit Anwendung dieser Norm einherging, wurde mit der 3. Strafrechtsreform von 1970 die reine Teilnahme aus dem Landfriedensbruch-Paragraphen gestrichen.

Es ist daher rechtlich schlicht unzulässig, was die Staatsanwaltschaft hier zur Begründung der Strafverfolgung ins Feld führt: Sie bedient sich eines Urteils des Bundesgerichtshofs, das selbst zurecht eine klare Unterscheidung zwischen einem Demonstrationsgeschehen und einer verabredeten Massenschlägerei vornimmt, um dann – ohne tatsächliche Anhaltspunkte – zu behaupten, die festgenommenen Personen, die gegen den G20-Gipfel protestiert haben, könnten sich nicht auf das Versammlungsrecht berufen, da sie allein das Ziel gehabt hätten, die Polizei anzugreifen. Das ist Feindrecht und hat nichts mit einer Bindung der Exekutive an Recht und Gesetz zu tun.

Dieses Feindbild, das nur unter Verkennung der Bedeutung und des Umfangs des Demonstrationsrechts erzeugt werden kann, zeigt sich auch in der konkreten Reaktion der Staatsanwaltschaft auf die Anregung der Verteidigung, dieses Verfahren einzustellen.

Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen:

Die Staatsanwaltschaft führte tatsächlich gegen eine Einstellung des Verfahrens gegen meine Mandantin ins Feld, dass „die Beschuldigte zwar nicht vorbestraft ist, aber laut Mitteilung der Kriminalpolizei Rottweil vom 03.11.2017 kurz vor dem G20-Gipfel wiederholt als Teilnehmerin bzw. Sympathisantin politisch motivierter Demonstrationsgeschehen aufgefallen ist, wobei sie in einem Fall auch als Störerin nach dem PolG geführt wurde.“

Wenn wir weiter in der Akte nachlesen, aus welchem Grund meine Mandantin bereits als Störerin nach dem PolG BW geführt wurde, findet sich folgende Auskunft eines KHK B. von der Kriminalpolizei Rottweil in den Akten (Bl. 86 der Personenakte C.):
„C. war am 23.06.2017 als aktive Teilnehmerin [Störerin nach dem POIG BW] anlässlich einer [spontan erfolgten] demonstrativen Aktion (Thema „Antimilitarismus“) im Rahmen der „Berufs- und Ausbildungsmesse“ in St. Georgen im Schwarzwald, Schwarzwald-Baar-Kreis zusammen mit zwei weiteren [darunter auch ein Straftäter linksmotiviert] Personen festgestellt worden.“

Was heißt das? Schon die Teilnahme an einer spontanen Demonstration zum Thema Antimilitarismus macht meine Mandantin für die Polizei zur Störerin. Im Polizeirecht werden als „Störer“ diejenigen bezeichnet, welche die öffentliche Sicherheit und Ordnung bedrohen oder stören, also gegen Gesetze verstoßen (§ 6 PolG BW a.F.). Aber offensichtlich reicht es für die Polizei bereits aus, an einer Demonstration teilzunehmen, um als Störerin geführt zu werden. Und so, wie dies hier schon für einen Bericht an die Soko „Schwarzer Block“ im Hamburg ausreichte, so geht es weiter: Denn KHK B. listet nicht nur die Teilnahme an dieser und einer weiteren Demonstration auf, sondern zieht daraus auch gleich diese nicht weiter begründete Schlussfolgerung, die ich Ihnen nicht vorenthalten will.

Es heißt dort:
„Im Ergebnis dürfte Frau C. Angehörige bzw. Unterstützerin [zumindest jedoch temporär Mitwirkende bzw. Sympathisantin] der regional und überregional agierenden Antifa- Gruppierung „Linke Aktion VS“ sein.“

So wird mir nichts, dir nichts aus einer Person, die an Demonstrationen teilnimmt, eine Störerin, die einer Antifa-Gruppierung angehören oder diese unterstützen soll. Da wird der Soko
„Schwarzer Block“ geliefert wie angefordert: Das gewünschte Feindbild einer Demonstrantin als Störerin.

Die Staatsanwaltshaft will dieses Bild mit ihrer Anklage fortschreiben und aus einer Demonstrantin eine Straftäterin machen. Sie nimmt damit ganz den Blick der Polizei ein, wie ihn Einsatzleiter Dudde propagiert hatte: Es geht nicht darum, Demonstrationsfreiheit zu gewährleisten, wie es das Grundgesetz von der Exekutive verlangt, sondern es geht darum, dass die Polizeieinheiten als „Gefahrengemeinschaft“ ihre eigene Ordnung mit polizeilichen Gewaltmitteln durchsetzen.

II. Keine Strafe ohne Gesetz

Nach dem Bundesverfassungsgericht wird das Strafrecht „als ‚ultima ratio‘ des Rechtsgüterschutzes eingesetzt, wenn ein bestimmtes Verhalten über das Verbotensein hinaus in besonderer Weise sozialschädlich und für das geordnete Zusammenleben der Menschen unerträglich, seine Verhinderung daher besonders dringlich ist. Es ist aber „grundsätzlich Sache des Gesetzgebers, den Bereich strafbaren Handelns verbindlich festzulegen“ (BVerfG, Beschluss vom 26.02.2008, Az. 2 BvR 392/07, NJW 2008, 1137, 1138).

Keine Strafe ohne Gesetz, so sagt es Art. 103 Abs. 2 GG. Dazu kommt, dass gesetzlich klar erkennbar sein muss, welche Rechtsfolgen sich aus bestimmten Verhaltensweisen ergeben können. Die staatliche Reaktion auf Handlungen muss also vorhersehbar sein, andernfalls wäre der Einzelne der Willkür des Staates ausgesetzt. Insofern sind die Strafverfolgungsbehörden an Recht und Gesetz gebunden, so das Rechtsstaatsgebot.

Was allerdings die Reaktion von Polizei und Staatsanwaltschaft auf die Ereignisse des 7. Juli 2017 in Hamburg betrifft, kann davon kaum die Rede sein. Wir verhandeln hier über eine Anklage, die nicht mehr von den bestehenden Strafvorschriften gedeckt ist.

Die Anklage wirft den Angeklagten vor, sich jeweils als Täter an einem Landfriedensbruch, also an Gewalttätigkeiten gegen Menschen und Sachen beteiligt zu haben. Unter diesem Vorzeichen sind die gesamten Ermittlungen geführt worden, inklusive Freiheitsentziehungen.

Täter ist derjenige, der die Tat selbst oder durch einen anderen begeht. Mittäter ist der, der die Straftat mit anderen gemeinschaftlich begeht. Den Angeklagten wird jedoch keine einzige gewalttätige Handlung vorgeworfen. Nein, es wird noch nicht einmal in der Anklage dargelegt, bei welchen gewalttätigen Handlungen, die aus der Demonstration erfolgt sein sollen, sich die Angeklagten wo aufgehalten und wie verhalten haben, nicht einmal, ob sie überhaupt vor Ort waren. Nach den Ermittlungen steht allein fest, dass die Angeklagten alle am Morgen des 7. Juli 2017 im Rondenbarg festgenommen wurden.

Nach der strafrechtlichen Lehre von Täterschaft und Teilnahme und unter Berücksichtigung einer grundrechtskonformen und dem Übermaßverbot entsprechenden Auslegung der Strafnorm des Landfriedensbruchs erfordert die unmittelbare Täterschaft eine eigenhändig ausgeführte Gewalttätigkeit aus einer Menschenmenge heraus (MüKoStGB/Schäfer, 3. Aufl., § 125 Rn 28, LK-StGB/Krauß, 12. Aufl. 2009, § 125 Rn 68). Dies ist bereits nach dem Anklagesatz ausgeschlossen.

Nach den Grundsätzen der Mittäterschaft ist diese zwar auch ohne eigenhändige Gewalttätigkeit möglich, jedoch müssen die Gewalttätigkeiten anderer als eigene Tat zurechenbar sein. Dafür braucht es jedoch ein gehöriges Maß an aktivem Steuern der Abläufe des Tatgeschehens gemäß einem gemeinsamen Tatplan; der selbst nicht unmittelbar Handelnde muss also das Geschehen quasi als „Autorität beherrschen“, um Mittäter zu sein, BGHSt 32, 165 (Fall Schubart), LK- StGB/Krauß, 12. Aufl. 2009, § 125 Rn 70 f.). In welcher Form hier meine Mandantin Abläufe gesteuert oder gar als Autorität beherrscht haben soll, legt die Anklage mit keinem Wort dar. Offensichtlich soll hier allein der Umstand der späteren Festnahme ausreichen, um sowohl Tatplanung als auch Tatherrschaft zu begründen. Dies ist unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zulässig.

Nach dem Willen des Gesetzgebers soll sich gem. § 125 StGB nur derjenige strafbar machen, der sich aktiv an Gewalttätigkeiten beteiligt (vgl. Bericht des Sonderausschusses in BT-Drucks. VI/502 S. 9). Deshalb genügt es gerade nicht, bloß ein Teil der „Menschenmenge“ zu sein, aus der heraus Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen oder Bedrohungen von Menschen mit Gewalttätigkeiten begangen werden.

Als mögliche Beteiligungsform kann jedoch psychische Beihilfe ausreichen, sofern sie über eine bloße Anwesenheit am Ort der Gewalttätigkeiten oder Bedrohungen hinausgeht (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 9. Mai 2012 – III-3 RVs 45/12, NStZ-RR 2012, 273; OLG Naumburg, Urteil vom 21. März 2000 – 2 Ss 509/99, NJW 2001, 2034; SSW/Fahl, StGB, 3. Aufl., § 125 Rn. 7; LK/Krauß, StGB, 12. Aufl., § 125 Rn. 74).

Nach der Anklage ist – wie dargelegt – noch nicht einmal ein Beweis dafür aufgeführt worden, ob und wenn ja wo sich die Angeklagten befunden haben sollen, als die angeklagten Gewalttätigkeiten begangen worden sein sollen, geschweige denn, welche Handlung über die bloße Anwesenheit im Zeitpunkt der Festnahme hinaus begangen worden sein soll.

Dies wird auch nicht dadurch ausgeglichen, dass die Anklage bei der Beschreibung des Zuges der Protestierenden Worte wie „marschieren“ und „geschlossene Formation“ verwendet. Offenkundig dienen diese Formulierungen allein der Kaschierung der Tatsache, dass die Staatsanwaltschaft entsprechende Belege schuldig bleibt und jedenfalls völlig unklar ist, ob auch die Angeklagten sich entsprechend verhalten haben.

Abgesehen davon macht ein Blick in die im Zuge der Ermittlungen zusammengetragenen Videos unmittelbar deutlich, dass hier weder marschiert, noch eine Formation gebildet wurde. Es wurde demonstriert. Wie bei einer gemeinsamen Meinungskundgabe üblich, bedeutet dies, dass gemeinsam im Demonstrationszug gelaufen wird. Daher hat der BGH in seiner Hooligan- Entscheidung vollkommen zurecht klargestellt, dass die dortigen Ausführungen nicht auf Demonstrationen angewendet werden können.

Dass die Staatsanwaltschaft darauf den hinreichenden Tatverdacht eines besonders schweren Falls des Landfriedensbruchs, des tätlichen Widerstandes, der versuchten gefährlichen Körperverletzung, der Sachbeschädigung und der Bildung einer bewaffneten Gruppe stützt, ist mit der Rechtslage unter keinem Gesichtspunkt in Einklang zu bringen. Das Gesetz, auf dessen Grundlage die Staatsanwaltschaft eine Verurteilung anstrebt, ist mit der Strafrechtsreform im Jahr 1970 abgeschafft worden. Der Staatsanwaltschaft Hamburg wird es nicht gelingen, über die Hintertür dieses Verfahrens ein roll back in die 60er Jahre des letzten Jahrhunderts zu erreichen.

Das hiesige Verfahren ist Ergebnis einer Vorverurteilung durch die Strafverfolgungsbehörden ohne Gesetz.

Dies ist nicht nur ein eklatanter Verstoß gegen das Rechtsstaatsgebot, sondern auch ein Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens nach Art. 6 EMRK. Diese nicht mehr behebbaren Verfahrenshindernisse gebieten die Einstellung des Verfahrens nach § 260 Abs. 3 StPO.

Dem gegenüber steht der Umstand, dass sich meine Mandantin seit 6 ½ Jahren mit diesem Verfahren belastet sieht, dass sie deswegen vor 6 ½ Jahren festgenommen und einem Haftrichter vorgeführt wurde. Und, dass die Staatsanwaltschaft auch heute noch der Auffassung ist, dass eine Einstellung des Verfahrens nur dann in Betracht kommt, wenn man sich fundiert zur Sache einlässt oder sich von seinen Taten distanziert.

Offen bleibt in diesem Zusammenhang allein, welche konkreten Taten die Staatsanwaltschaft hierbei eigentlich meint.


Opening Statement von den Rechtsanwälten Jacob Schwieger und Ulrich von Klinggräff

Wir haben die Anklage der Staatsanwaltschaft Hamburg gehört. Wir haben vernommen, dass die Staatsanwaltschaft weiter versucht, aus unseren Mandant*innen politische Hooligans zu machen.

Verhandelt werden soll nach den abgebrochenen Verfahren aus der Vergangenheit in den nächsten Monaten nun erstmalig das Geschehen vom 7. Juli 2017 am Rondenbarg. Mehr als 6 ½ Jahre ist das jetzt her. Mehr als 2 Jahre hat die Staatsanwaltschaft bereits dafür gebraucht, diese Anklage zu schreiben. Und weitere 4 ½ Jahre hat es gedauert, bis nun darüber verhandelt werden soll. Ein Geschehen wie aus einer anderen Zeit.

Im Sommer 2017 gab es noch keinen Krieg in der Ukraine, es gab keine Corona-Pandemie, die AfD stand noch nicht kurz davor, in verschiedenen Bundesländern stärkste Partei zu werden, ein Olaf „Polizeigewalt hat es nicht gegeben“ Scholz war noch Bürgermeister der Stadt Hamburg und Herr Dudde konnte als Polizeichef noch zeigen, wie echte Härte geht und was man bei der Polizei unter einem Fest der Demokratie versteht.

Seit also nun 6 ½ Jahren musste unsere Mandantin und mussten auch die anderen Angeklagten auf diesen Prozess warten.
So wie auch das Regierungspräsidium Stuttgart seit 6 ½ Jahren darauf wartet, ob die Staatsanwaltschaft Hamburg mit der Kriminalisierung aller Demonstrationsteilnehmer*innen des Schwarzen Fingers, mit dem Versuch der Kollektivbestrafung, und ihrem Angriff auf das Demonstrationsrecht wohl Erfolg haben wird und unsere Mandantin nach einer erfolgten Verurteilung ausgewiesen und in die Türkei abgeschoben werden kann. Einem Land, welches sie 1998 im Alter von 11 Jahren mit ihrer Familie verlassen hat.

Die Hamburger Polizei und die Hamburger Justiz haben von Anfang an klargemacht, wie sie gedenken, mit den Gefangenen vom Rondenbarg umzugehen und wie versucht werden soll, ein Geschehen, bei dem viele Demonstrant*innen aber keine einzige Polizist*in verletzt worden ist, in einen massiven Angriff, vergleichbar mit einem brutalen Angriff von Hooligans, auf die Polizei umzudeuten. Allein – so musste eingeräumt werden – die Motorhaube eines Polizeifahrzeugs sei von einem Stein getroffen aber nicht beschädigt worden. Die Bilanz also ist erst einmal dürftig.

Es ist erstaunlich, was die Staatsanwaltschaft alles von unserer Mandantin zu wissen meint:

  • Sie soll mit anderen zusammen einen Tatplan ausgeheckt haben
  • Sie wollte Polizeikräfte provozieren, binden und gewaltsam attackieren
  • Sie soll dabei in einer „geschlossenen Formation“ mitgelaufen, Entschuldigung, natürlich „marschiert“ sein
  • Ihr soll dadurch ein Gefühl von Sicherheit und Stärke vermittelt worden sein
  • Sie soll sich schwarz gekleidet haben, um ihre Identifizierung zu erschweren

und, und, und.

Das geheimnisvolle Sonderwissen der Staatsanwaltschaft erstreckt sich bis in die Gefühlswelt der Angeklagten.
Die Staatsanwaltschaft, das kann bereits jetzt konstatiert werden, stellt einige Tatsachenbehauptungen auf, bei der sie nur allzu genau weiß, dass diese falsch sind. Oder man müsste ihr unterstellen, die in der Anklageschrift aufgeführten Videos nicht angesehen zu haben.

So weiß die Staatsanwaltschaft beispielsweise ganz genau, dass es schlicht falsch ist, dass alle Teilnehmer*innen der Demonstration einheitlich schwarz gekleidet und vermummt gewesen sind. Und natürlich weiß die Staatsanwaltschaft auch, dass mitnichten alle Demonstrationsteilnehmer*innen „in geschlossener Formation“ gelaufen sind. Aber solche Unwahrheiten sind eben unverzichtbar, wenn man sich dazu entschlossen hat, eine Kollektivbestrafung erreichen zu wollen.

Vor 6 ½ Jahren ist unsere Mandantin mit vielen anderen zusammen am Rondenbarg festgenommen worden. Sie hat dabei noch Glück gehabt und hat den Polizeiangriff unverletzt überstanden.

Unsere Mandantin wurde wie eine Schwerverbrecherin behandelt. Darüber wird in diesem Verfahren noch zu sprechen sein. Sie wurde dem Haftrichter vorgeführt und für 10 Tage in Untersuchungshaft gesteckt. Nicht etwa, weil behauptet wurde, sie habe selber Gewalt angewendet. Das wurde ihr und den anderen Angeklagten nie vorgeworfen. Der Vorwurf des Mitlaufens in der Demonstration, die als solche nicht bezeichnet werden darf und die dann mit massiver Polizeigewalt zerschlagen worden ist, war hierfür ausreichend.

Sie musste sich einer demütigenden, menschenrechtswidrigen Behandlung unterziehen, indem sie sich in der Untersuchungshaftanstalt vollständig entkleiden musste und dann von einer Beamtin auf widerlichste Art und Weise abgetastet worden ist.

Sie ist mit dieser Behandlung und diesem langen Verfahren bereits massiv bestraft worden. Das dürfte auch das Ziel ihrer Behandlung gewesen sein.

Man spricht gern von dem dünnen Firnis der Zivilisation. Gerade in diesen finsteren Zeiten, in denen die politische Mitte so bedenklich nach rechts gerutscht ist und die Brandmauer gegenüber der AfD vielerorts bereits gefallen ist. Wir sollten uns in diesem Verfahren auch die Zeit nehmen, über den dünnen Firnis der Rechtsstaatlichkeit zu sprechen. Darüber, wie schnell es geht, dass in einer politisch aufgeladenen Situation, in der die Politik und die Polizei nichts unversucht gelassen haben, die Stimmung weiter aufzuheizen, rechtsstaatliche Grundsätze aufgehoben werden und jedes Maß verloren geht.

Welche Gründe gab es damals, unsere Mandantin in Untersuchungshaft zu nehmen? Wo soll die Fluchtgefahr herkommen bei einer Beschuldigten, die nur mitgelaufen sein soll in der Demonstration, die auch nicht versucht haben soll, wegzulaufen. Warum denn auch? Einer Beschuldigten, die seit 2006 in einem festen Arbeitsverhältnis bei Daimler-Benz steht. All das spielte in dieser überhitzten Stimmung im Mai 2017 in Hamburg keine Rolle mehr. Es ging ganz offensichtlich um Abschreckung und nicht um die Sicherung des Strafverfahrens.

Wenn es nach dem Willen der Staatsanwaltschaft gegangen wäre, dann wäre unsere Mandantin auch noch nicht am 18. Juli 2017 aus der Haft entlassen worden. In einem Schreiben vom 14. Juli 2017 begründete die StA ihren Antrag auf Haftfortdauer u.a. noch wie folgt:

„Im Zusammenhang mit dem in Hamburg abgehaltenen G20 kam es zu schweren Ausschreitungen durch Mitglieder des sogenannten „schwarzen Blocks“, dem sich die Beschuldigte angeschlossen hatte. Die Ausschreitungen nahmen derart schwere Formen an, dass die Polizeikräfte zeitweilig nicht mehr in der Lage waren, Brandstiftungen und Plünderungen durch Mitglieder des „schwarzen Blocks“ zu verhindern, sodass die öffentliche Sicherheit in besonders schwerwiegender Weise gestört war.“

Auf so geschickte wie infame Art und Weise konstruiert die Staatsanwaltschaft hier für die Protesttage im Mai 2017 einen einheitlichen „schwarzen Block“. Die einzelnen Sachverhalte werden geschickt ineinander verwoben. Die Ausschreitungen in der Elbchaussee werden auf indirekte Art und Weise nun auch unserer Mandantin angelastet und zur Begründung der beantragten Fortdauer der Untersuchungshaft herangezogen. Letztlich wird unserer Mandantin in diesem Antrag der Staatsanwaltschaft nicht nur für das Agieren der anderen Demonstrationsteilnehmer*innen am Rondenbarg, sondern darüber hinaus auch gleich mitverantwortlich gemacht für ein Geschehen, welches an einem ganz anderen Ort stattgefunden hat. Es ist, wenn man so will, die konsequente Fortführung der Konstruktion einer Kollektivverantwortlichkeit, die keinerlei konkreten Tatnachweis mehr benötigt. Oder anders ausgedrückt: der Wunsch nach der Abkehr von zentralen rechtsstaatlichen Prinzipien. Es handelt sich um Stimmungsmache im justiziellen Gewand.

Beispielhaft kann das Vorgehen der Hamburger Justiz an dem Fall des Fabio V. festgemacht werden.
An Fabio V. sollte ein erstes Exempel statuiert werden. Er befand sich insgesamt fast 5 Monate in Untersuchungshaft. Auch ihm wurde nie vorgeworfen, selber gewalttätig geworden zu sein. Der Umgang der Hamburger Justiz mit Fabio V. zeigt das ganze Ausmaß einer feindstrafrechtlich ausgerichteten Justiz, die bereit ist, aus politischen Gründen zentrale rechtsstaatliche Grundsätze zu missachten.

In diesem Verfahren hat das Hanseatische OLG in seinem Haftbeschluss vom 21.07.2017 den juristischen Sound und die politische Richtung vorgegeben. Es handelt sich um ein beeindruckendes Dokument einer Gesinnungsjustiz, die in einen Furor gerät, in der jedes Maß verloren geht und es allein um die Bekämpfung eines politischen Gegners geht.

Von einer „schwerbewaffneten“ und „hochgewaltbereiten“ Gruppe wird in dieser Entscheidung schwadroniert, die „ersichtlich“ nichts Anderes als gewalttätige Ausschreitungen geplant hätten. Hier wird nicht mehr differenziert, hier sind nun alle vermummt, dunkel gekleidet und alle haben nur die Verübung von Gewalttaten, die „Sprengung der Polizeikette“, im Sinn. Hier versucht das HansOLG unter Aufgabe jeglicher Objektivität bereits entscheidende Pflöcke für das aufzubauende Narrativ und die juristische Spur zu quasi-militärischen Formationen von Hooligan-Gruppen zu legen, die nur das Ziel haben, sich gegenseitig zu attackieren. Die Bilder, die das OLG hier von dem Geschehen am Rondenbarg produzieren will, sind an Suggestibilität und Verzerrung kaum zu überbieten. Sie stehen im eklatanten Widerspruch zu dem realen Geschehen am Rondenbarg, wie es sich insbesondere aus dem hierzu vorliegenden Filmmaterial ergibt.

Es ist wichtig, sich mit dieser Entscheidung des HansOLG zu beschäftigten. Sie hat damals den Maßstab gelegt, wie mit den Verfahren seitens der Strafjustiz umgegangen werden soll. Und sie hat auch den Maßstab für die Vorverurteilungen und den Duktus von Hass und massiver persönlicher Herabwürdigung gelegt.

So heißt es zu dem damals 18-jährigen Fabio:
„Der Beschuldigte hat damit die bürgerkriegsähnlichen Zustände in Hamburg mitverursacht. Fundamentale Garantien der deutschen Rechtsordnung – Menschenwürde, das Recht auf körperliche Unversehrtheit und auf Eigentum – sind für den Beschuldigten erkennbar ohne jede Bedeutung(§§ 125, 125 a StGB). Dass ihm daher die Anordnungen der Polizeikräfte gleichgültig sind, versteht sich von selbst (§§ 114, 113 StGB).“

Hier wird der von Günther Jakobs vorgeschlagene Weg der Unterscheidung zwischen einem Bürger- und einem Feindstrafrecht der Weg geebnet.

Die damals noch ausstehende Hauptverhandlung gegen Fabio V. erscheint in dem Beschluss des HansOLG wie eine fast überflüssige Prozedur. Es handelt sich um eine Handlungsanleitung an die Hamburger Tatrichter*innen, welche Tatsachen hier zugrunde zu legen sind und wie auf diese Taten zu reagieren sein wird.

In der Beteiligung an der Demonstration, die vom OLG natürlich nicht als solche benannt wird, kämen „erhebliche Anlage- oder Erziehungsmängel, die ohne längere Gesamterziehung des Täters die Gefahr weiterer Straftaten begründen“, zum Ausdruck.

Nicht nur der ehemalige BGH-Richter Thomas Fischer sah darin eine unzulässige Vorverurteilung und eine überzogene vorweggenommene Strafzumessung.

Wir haben es mit einem klassischen Beispiel politischer Justiz zu tun. Also mit einem Versuch des HansOLG und der Staatsanwaltschaft Hamburg, gerichtsförmige Verfahren für politische Zwecke dienstbar zu machen.
Die Staatsanwaltschaft Hamburg agiert in den Rondenbarg-Verfahren mit einer eigenen politischen Agenda. Sie hat sich dazu entschieden, aus meiner Mandantin und den anderen Angeklagten Polit-Hooligans machen zu wollen. Ziel der Staatsanwaltschaft ist es, Rechtsgeschichte schreiben zu wollen. Die Uhr soll zurückgedreht werden. Die Staatsanwaltschaft hält nichts von einem liberalen Demonstrationsrecht und einem Demokratieverständnis, wie es etwa in der Brokdorf-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1985 zum Ausdruck kommt. Die Staatsanwaltschaft Hamburg möchte mit Hilfe der Strafgerichte stattdessen Axt an das Demonstrationsrecht legen und erreichen, dass
a) grundsätzlich das Versammlungsrecht nach Art 8 GG eingeschränkt wird und
b) strafbares Verhalten einzelner Demonstrationsteilnehmer*innen allen anderen Demonstrierenden kollektiv zugerechnet werden kann.

Ein zulässiges und grundgesetzlich geschütztes Verhalten soll hier umdefiniert werden in einen unbenannten besonders schweren Fall des Landfriedensbruchs. Das Mitlaufen in einer Demonstration, bei der einzelne Personen Steine geworfen haben sollen, soll automatisch zur Strafbarkeit führen. Es ist das „Feindbild Demonstrant“, jedenfalls der linken Demonstrierenden, welches aufgerufen wird.

Das ist der Griff in die ganz alte Klamottenkiste eines autoritären Staats- und Demokratieverständnisses. Das ist das Wunschdenken einer Staatsanwaltschaft, die jedwede Objektivität, zu der sie nach § 160 StPO eigentlich verpflichtet ist, aufgegeben hat und sich stattdessen als politische Kraft in der law & order-Fraktion positioniert hat. Die als Sprachrohr einer repressiven Politik fungiert, der es um die Einschränkung des Grundrechts auf Demonstrations- und Versammlungsfreiheit geht.

Das, was in der Polizeiwissenschaft gern als „institutionalisierte Nähe“ zwischen Polizei und Staatsanwaltschaft bezeichnet wird, hat nicht nur in den Tagen des Gipfels selber, sondern auch in der Fortwirkung bis hin zu diesem Verfahren, einen unmittelbaren Ausdruck gefunden.

Die Staatsanwaltschaft hat den offenen Schulterschluss mit den reaktionären Polizeistrategen etwa der Deutschen Polizeigewerkschaft gesucht und gefunden. Nicht die Demonstrierenden agierten in einer „geschlossenen Formation“, sondern die Staatsanwaltschaft mit dem damaligen polizeilichen Gesamteinsatzleiter und Hardliner Hartmut Dudde und seinen Beamt*innen. Einem Mann, der unter dem Rechtspopulisten und früheren Hamburger Innensenator Ronald Schill Karriere gemacht hat und den die taz zutreffend wie folgt beschreibt:

„Fast zwei Jahrzehnte lang prägte Dudde die harte Linie der Hamburger Polizei. Während die Polizist*innen anderer Großstädte bei linken Demos mit Eskalationspotenzial auch mal deeskalierend vorgehen, war die Linie der vergangenen zwanzig Jahre in Hamburg so stumpf wie brutal: immer Wasserwerfer, immer ein Großaufgebot, und im Zweifel immer draufhauen. In vielen Fällen war das von Dudde angeleitete Handeln der Hundertschaften nicht nur schikanös, sondern auch gesetzeswidrig, wie das Verwaltungsgericht im Nachhinein mehrfach feststellte. Seiner Karriere hat das nicht geschadet.“

Bereits am Vorabend der Geschehnisse am Rondenbarg hatten Dudde und seine Beamten gezeigt, was die „Hamburger Linie“ ist und wie sie mit den Protesten gegen den G20-Gipfel umzugehen gedenken. Die „Welcome to hell“-Demonstration wurde mit massiver Polizeigewalt zerschlagen, bevor sie erst richtig angefangen hat.

Es war somit am Morgen des 7. Juli 2017 alles angerichtet. Die Devise, mit der auf die Proteste reagiert werden sollte, war klar. Ein Spielraum für Deeskalation war nicht vorgesehen, unabhängig davon, wer die Akteur*innen des Protestes waren. Die Ausgangskonstellation, die Gewürzmischung, mit der das Desaster des G20-Gipfels angerichtet worden ist, wird in der sozialwissenschaftlichen Studie „Eskalation: Dynamiken der Gewalt im Kontext der G20-Proteste in Hamburg 2017“ beschrieben:
„Die Polizei erklärt den reibungslosen Gipfelablauf zur Priorität und legt sich gegenüber den Protestierenden auf eine Strategie der Härte fest. Dabei werden große Teile der Protestgruppen als „gewaltbereit“ markiert. Innerhalb der Polizei richtet sich die Wahrnehmung zunehmend auf die Erwartung von Gewalt aus; deeskalierende Maßnahmen, etwa die Kommunikation mit den Organisator*innen von als konfliktträchtig bewerteten Protestveranstaltungen werden geringgeschätzt.“

Die Verteidigung wird sich in diesem Verfahren nicht darauf beschränken lassen, zu untersuchen, welche Handlungen aus dem „Schwarzen Finger“ erfolgt sind. Um das, was am Rondenbarg geschehen ist, richtig einschätzen zu können, werden wir uns in diesem Verfahren auch mit dieser und ähnlichen Studien zu beschäftigen haben.

Wir haben die Erwartung, dass das Gericht auch an der Aufklärung der massiven Polizeigewalt, die am Rondenbarg geschehen ist, interessiert ist. An der Frage, wie es zu den vielen teilweise schweren Verletzungen von Demonstrationsteilnehmer*innen kommen konnte. Wie hier durch die berüchtigte BFE-Polizeieinheit aus Blumberg eine massive Panik unter den Versammlungsteilnehmer*innen ausgelöst worden ist. Nur so können das Geschehen am Rondenbarg aber auch die Aussagen der Polizeizeugen zutreffend gewürdigt werden. Denn auch darum muss es gehen: nachzuzeichnen, wie die SoKo „Schwarzer Block“, die sich ein Emblem eines mit einer Zwille bewaffneten vermummten Person zugelegt hat und damit ein anschauliches Bild ihrer eigenen Vorstellungswelt abgegeben hat, versucht hat, in enger Abstimmung mit der Staatsanwaltschaft ihre Erzählung der Auseinandersetzung am Rondenbarg durchzusetzen.

Es ist dabei davon auszugehen, dass Staatsanwaltschaft und Polizei ganz genau wussten, dass es jedenfalls auch um die Vertuschung der Tatsache eines verheerenden und brutalen Polizeieinsatzes geht.

Das war auch den am Einsatz beteiligten Beamten gleich bewusst. So ist auf der Tonspur des Einsatzvideos der BFHu Blumberg zu hören, wie ein Beamter zu seinem Kollegen im Zusammenhang mit dem Fund von Gegenständen auf dem Gelände am Rondenbarg sagt: „Alles einsammeln, was den hiesigen Einsatz rechtfertigt.“

Und die Meldung, dass eine Person schwerverletzt mit einem offenen Beinbruch auf einem nahegelegenen Firmengelände liegt, wird mit den Worten kommentiert: „Die haben sie aber schön plattgemacht.“

Das war das grundsätzliche Problem für Staatsanwaltschaft und Polizei: das Bild der auf dem Boden liegenden Demonstrationsteilnehmer*innen, die vielen Verletzten, die Fußtritte und Schläge von Beamt*innen auf wehrlose Menschen, die Parallelität des polizeilichen Angriffs von vorne und hinten einerseits und die Feststellung, dass keine einzige Polizeibeamt*in bei diesem Einsatz auch nur eine geringfügige Verletzung davongetragen hat, ist mit der Schilderung eines brutalen Angriffs auf eine Polizeieinheit nur schwer in Übereinstimmung zu bringen.

Das Misstrauen gegen fortschrittliche Demonstrationen generell, die Anrüchigkeit, die in den Augen der Staatsanwaltschaft Hamburg bereits in der Teilnahme an völlig legalen Demonstrationen zu sehen ist, kommt unmittelbar in der Argumentation zum Ausdruck, mit der die Staatsanwaltschaft einer Einstellung des Verfahrens gegen die Angeklagte X entgegentritt. Die Kollegin Franziska Nedelmann hat das bereits ausgeführt. Hier wird deutlich, was die Staatsanwaltschaft von der Wahrnehmung des Demonstrationsrechts durch Linke hält. Dass dies ganz unabhängig davon, ob es sich um eine friedliche Demo handelt oder nicht, zu missbilligen ist. Da wird gegen die Einstellung des Verfahrens gegen X angeführt, dass diese bereits vor dem G20-Gipfel als Teilnehmerin bzw. Sympathisantin „politisch motivierter Demonstrationsgeschehen“ aufgefallen sei.

Diese Argumentation ist ein Skandal und zeigt unverblümt eine Geisteshaltung, die jeden Ausdruck von gesellschaftlichen linken Protest sanktionieren möchte und der jede linke Demonstration von vornherein ein Dorn im Auge ist. In der die Teilnahme an einer Demonstration nicht, wie das in der Brokdorf–Entscheidung so eindringlich und gut beschrieben worden ist, Ausdruck einer lebendigen Demokratie ist, sondern allein als Störung wahrgenommen wird. Jedenfalls dann, wenn der Protest von links kommt. Das ist ein unverstellter und unmittelbarer Ausdruck eines obrigkeitsstaatlichen Denkens, der sich hier und im Zweifel immer gegen links richtet. Es ist wichtig, sich dessen zu vergegenwärtigen, wenn wir die rechtspolitischen Intentionen der Hamburger Staatsanwaltschaft in den Rondenbarg-Verfahren richtig verstehen wollen.
Bei einem derartigen Rechtsstaatsverständnis ist es naheliegend, dass die Staatsanwaltschaft Hamburg politischen Protest mit Hooliganismus gleichsetzt.

Sie bemüht sich nach der Vorlage des HansOLG darum, durch einen juristischen Kunstgriff eine BGH-Entscheidung für ihre politischen Zwecke nutzbar zu machen. In dieser Entscheidung vom Mai 2017 hat der BGH dargelegt, dass ein „ostentatives Mitmarschieren“ in einer geschlossenen gewaltbereiten Gruppe für eine Verurteilung wegen Landfriedensbruchs ausreichen kann. Es ging dabei um einen gezielten Angriff von Fussballhooligans auf gegnerische Fans. Wörtlich heißt es allerdings in dieser Entscheidung:

„Alle Teilnehmer der Menschenmenge verfolgten einzig das Ziel, geschlossen Gewalttätigkeiten zu begehen. Dadurch unterscheidet sich dieser Fall der ‚Dritt-Ort-Auseinandersetzung‘ gewalttätiger Fußballfans von Fällen des ‚Demonstrationsstrafrechts‘, bei denen aus einer Ansammlung einer Vielzahl von Menschen heraus Gewalttätigkeiten begangen werden, aber nicht alle Personen Gewalt anwenden oder dies unterstützen wollen.“

Diese Passage wird von der Staatsanwaltschaft regelmäßig unterschlagen. Da passt es dann eben nicht mehr. Was die Staatsanwaltschaft betreibt, ist juristische Rosinenpickerei.

Und natürlich erklärt sich hiermit auch, warum die Staatsanwaltschaft insoweit konsequent alle Hinweise auf einen politischen Ausdruck der Versammlung zu negieren versucht. Es wird nur von einem „Aufmarsch“ gesprochen, die Tatsache, dass die Personengruppe auch Transparente, Fahnen und Megaphone mit sich führte und Parolen skandiert wurden, wird in den „wesentlichen Ermittlungen“ zur Randnotiz.

Zum Zeitpunkt der Anklageerhebung musste die Staatsanwaltschaft in jedem Fall auch Kenntnis davon gehabt haben, dass sich in der Versammlung Menschen mit deutlich unterschiedlichen Vorstellungen vom Verlauf der Demo und dem Aktionskonsens befunden haben. Auch der Staatsanwaltschaft Hamburg werden etwa die Aussagen der Mitglieder der verdi-Gruppe aus Bonn nicht entgangen sein, die ein ganz anderes Bild vom Selbstverständnis der Demonstrationsteilnehmer*innen zeichnen.
Selbst der Kriminaldirektor Jan Hieber musste im Rahmen der Anhörung durch den Sonderausschuss zu den „gewalttätigen Ausschreitungen rund um den G20-Gipfel in Hamburg“ am 17. Mai 2018 einräumen:

„Ich will aber nicht verhehlen, dass natürlich jetzt im Laufe der weiteren Ermittlungen, wenn man sich das Beweismaterial anguckt, auch ein differenzierterer Eindruck entsteht. Das ist gar keine Frage. Das sieht man dann auch später, wenn man sich natürlich die festgenommenen Personen anguckt, das sind ja nicht alles, sage ich einmal, hochkriminelle Extremisten, sondern das sind ganz, ganz…, das ist auch durchaus eine heterogene Veranstaltung. Aber es ist in dem Augenblick, in dem es darum geht, Kontakt und Fühlung aufzunehmen zu dem Block, natürlich überhaupt nicht erkennbar.“

Im Zusammenhang mit der strafrechtlichen Aufarbeitung der Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstrierenden im Zusammenhang mit dem G20-Gipfel hat die Staatsanwaltschaft Hamburg aufgrund ihrer eindeutigen Parteistellung ohnehin jede Legitimation verloren.

Wir alle wissen, dass Polizist*innen in den Fällen der Körperverletzung im Amt vor einer Strafverfolgung sehr weitgehend geschützt sind. Wir alle kennen die Statistiken, nach denen es nur in etwa 2 % der Fälle zu Anklagerhebungen kommt. Die Ursachen hierfür sind vielfältig und natürlich auch in der bereits beschriebenen engen Verbundenheit zwischen Staatsanwaltschaft und Polizei zu finden. Es gab vor vielen Jahren in Hamburg einmal den Versuch, in diesen Fällen neben der Staatsanwaltschaft auch eine unabhängige Kommission, die mit eigenen Ermittlungsbefugnissen ausgestattet war, zu installieren. Dieser Versuch wurde sehr schnell von dem damals neugewählten Schill-Senat wieder beendet. Die strukturell bedingte faktische Straflosigkeit von Polizeibeamt*innen, die Art und Weise, in der in diesen Ermittlungsverfahren von Polizei und Staatsanwaltschaft zielgerichtet auf eine Verfahrenseinstellung hingearbeitet wird, ist insbesondere in der Studie von Laila Abdul Rahman, Hannah Espin Grau, Luise Klaus und Tobias Singelnstein ausführlich beschrieben worden.
Es gibt eine Vielzahl von Videos, auf denen im Zusammenhang mit dem G20-Gipfel rechtswidrige Polizeigewalt, brutale Polizeiübergriffe, zu beobachten sind. Insgesamt wurden 157 Ermittlungsverfahren eingeleitet. Die Staatsanwaltschaft Hamburg wollte sie alle – ausnahmslos – einstellen. In 6 Fällen mussten die Ermittlungen auf Weisung der Generalstaatsanwaltschaft wieder aufgenommen werden. Bis heute soll es in einem Fall zu einer Anklageerhebung gekommen sein.

Es ist eine Farce!


Opening Statement von den Rechtsanwält*innen Sven Richwin und Daniela Rohrlack

Wir haben jetzt schon viel Richtiges meiner Kolleginnen und Kollegen über die verfassungsrechtlichen Bedenken hinsichtlich des hiesigen Verfahrens gehört. Vielen Dank dafür. Ich möchte kurz das Augenmerk noch auf einen speziellen Aspekt der juristischen Konstruktion der Staatsanwaltschaft werfen:

Wie viele meiner Berliner Kolleginnen habe auch ich naturgemäß regelmäßig vor Gericht und auf der Straße mit Beamt*innen der Einsatzhundertschaft der Bundespolizeiabteilung aus Blumberg zu tun, die in dem Geschehen am 07.07.2017 eine zentrale Rolle spielt.

Blumberg ist ein Gemeindeteil von Ahrensfelde und liegt nordöstlich kurz vor der Stadtgrenze von Berlin. Alle paar Jahre werden dort Familienangehörige und Interessierte auch zu öffentlichen Trainingsdokumentationen auf dem Kasernengelände der Bundespolizei eingeladen. So wurde auch ich vor einigen Jahren Zeuge einer Trainingsvorführung der Beamt*innen zum Thema „Einsatzvorführung anlässlich einer Demonstrationslage“.

Die „Demonstrationslage“ beschränkte sich dabei auf eine veritable Straßenschlacht. Etwa ein Dutzend Beamt*innen der Blumberger Einheit zeigten dabei ihren Trainingsstand in getarnter, dunkler ziviler Bekleidung, mit Tüchern, Mützen und Kapuzen – auch mal mit St.-Pauli-Pullover. Sie zeigten ihr Training im Vermummen, Training im Sich-Schnell-Umziehen, Training im Rauchkörper-Anzünden, Training im Kolleg*innen-Bewerfen und dabei Treffer vermeiden und den schnellen Rückzug.
Wir werden im Rahmen des Verfahrens Gelegenheit haben, uns die Aufnahmen eben dieser Einheit anzusehen.
Warum verwenden die Beamt*innen aus Blumberg Zeit, Aufwand und Kosten, um das zu trainieren:
Weil es Teil ihres Aufgabenverständnisses ist.

Immer wieder erleben wir vor Berliner Gerichten, dass sich Beamt*innen in ziviler, vermeintlich
„angepasster Bekleidung“ als sog. Tatbeobachter*innen, sog. „Tabos“, unter Teilnehmer*innen von Versammlungen gemischt haben.

Viele hier im Saal werden sich erinnern, dass dieses polizeiliche Vorgehen bereits bei der Demonstration am 6. Juli 2017 erfolgte, dem Tag vor der hier verhandelten Demonstration, und für größeres Aufsehen sorgte.

Der sächsische Beamte Florian D. hatte in einem gerichtlichen Verfahren diesbezüglich eingeräumt, er hätte sich dunkle Kleidung angezogen und sich ein schwarzes Tuch „bis unter die Nase“ gezogen und so an der Demonstration teilgenommen. Auch drei weitere Kolleg*innen hätten ebenfalls vermummt an der Versammlung teilgenommen. Sie hätten vom Dienstherren sogar einen Bekleidungszuschuss für derartige Kleidung bekommen. (spiegel.de/panorama/justiz/g20-polizisten-marschierten-bei-demo-im-schwarzen-block-mit-a-1208567.html)

Da der Vorwurf der Vermummung von Teilnehmer*innen als maßgebliche Rechtfertigung für die polizeiliche Auflösung der Versammlung am 06.07.2017 benannt wurde, ergab sich das Bild, dass Polizeibeamte selbst durch ihr Verhalten die Begründung für das polizeiliche Einschreiten lieferten.

Eine Hamburger Oberstaatsanwältin kommentierte lapidar am Kern des Problems vorbei: Im Einsatz befindliche Polizeibeamte fielen nicht unter das Versammlungsgesetz, weil sie keine Teilnehmer der Demonstration seien (taz.de/Zivilbeamte-im-schwarzen-Block-bei-G20/!5505557)

Ein Sprecher der Hamburger Polizei sagte, der Einsatz von Tatbeobachtern sei ein „legitimes Einsatzmittel“ der Polizei. Natürlich habe es im relevanten Einsatzraum den Einsatz von Tatbeobachtern gegeben. (spiegel.de/panorama/justiz/g20-polizisten-marschierten-bei-demo-im-schwarzen-block-mit-a-1208567.html)
Der Vorgang spielte noch eine größere Rolle im G20 Sonderausschuss, auf den wir auch noch zurückkommen werden.

Im vorliegenden Verfahren besteht nunmehr die Gefahr, dass verdeckte Polizeibeamte nicht nur an der Schaffung einer Einsatzgrundlage teilhaben, sondern durch ihr Agieren, sogar eine Strafbarkeit für Personen begründen können, die selbst gar keine Straftaten begehen.

Nochmal zur Erinnerung: Niemand der Angeklagten wird eine eigenhändige Handlung vorgeworfen.

Es stellt sich daher konkret die Frage, wer mit welcher Motivation das Geschehen vor Ort eigentlich mitbestimmt.

Die Konstruktion der Hamburger Staatsanwaltschaft bedeutet in der Konsequenz, der Staat kann nicht nur beliebig Bürger*innen Grundrechte entziehen, wie das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit aus Artikel 8, sondern darüber hinaus sie einer Strafverfolgung aussetzen, die sie bis vor die große Strafkammer führt.

Sollte diese Ansicht Einzug in die Rechtsprechung finden, wäre das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit nahezu abgeschafft. Das Risiko einer Teilhabe an jeder beliebigen Versammlung wäre unkalkulierbar. Dies betrifft Eingriffsmöglichkeiten staatlicher Organe genauso wie dritter Personen, die einer Versammlung ablehnend gegenüberstehen.

Die Staatsanwaltschaft kann hier den verfassungsrechtlichen Bedenken letztlich nur durch die Vorlage einer belastbaren Zusicherung ausräumen, dass bei dem Geschehen am 07.07. im Rondenbarg keinerlei verdeckte Ermittler*innen bzw. „Tabos“ beteiligt waren.

Ohne dem Beweisergebnis vorzugreifen – das wird ihr nicht gelingen. Bereits in der Beweismittel-Liste der Anklage wird auf vier zivile Beamte in Zusammenhang mit der Versammlung am 07.07.2017 verwiesen.

Für das drohende staatliche In-Sich-Geschäft wäre es noch nicht einmal erforderlich, den zivilen Beamt*innen konkrete Handlungen zuzuordnen, da ja für die Staatsanwaltschaft bereits die Präsenz in dunkler Bekleidung eine Teilhabe an einem gemeinsamen Tatplan unterstellt. Eine Grundlage, die die zivilen Beamten allein aufgrund ihrer Bekleidung mitbestimmen würden.

Gegenstände müssten dabei nicht einmal geworfen werden, selbst wenn diese im Rondenbarg ebenso wenig wie beim Training in Blumberg zu Treffern führten.


Opening Statement von den Rechtsanwälten Stephan Schrage und Adrian Wedel

Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Hamburg ist das Ergebnis einer vollkommen verfehlten Innenpolitik, für das der Hamburger Senat und sein damaliger Erster Bürgermeister Olaf Scholz die politische Verantwortung tragen. Sie ist ein weiterer massiver Angriff auf die Grundrechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit.

Anders als Herr Scholz haben wir ein gutes Gedächtnis.

Wir erinnern uns noch sehr gut an den G20-Gipfel in Hamburg. Daran, dass missliebigen Journalist*innen die Akkreditierung entzogen wurde, dass die Hamburger Polizei sich über die Entscheidungen des Hamburger Verwaltungsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts hinwegsetzte und versuchte, den Aufbau von Zelten im angemeldeten Camp zu verhindern.

Wir erinnern uns genau an die Behinderungen bei der Anreise, an die Zurückweisung von Personen an den Grenzen, an den Versuch der Einschüchterung von Protestierenden, die in einem Sonderzug von Basel nach Hamburg anreisen wollten und nicht zuletzt an die Demonstration am 06.07.2017, die nach 50m Wegstrecke von Polizeieinheiten zusammengeknüppelt wurde.

Unser Fazit: Die damaligen politisch Verantwortlichen der Hansestadt Hamburg haben alles getan, um bereits im Vorfeld der Proteste gegen den G20-Gipfel für eine aufgeheizte Stimmung zu sorgen und eine Eskalation der Ereignisse herbeizuführen. Über Monate war die Rede von Tausenden Gewalttätern, die nach Hamburg kämen. Protestierende wurden bereits vorab zu Staatsfeinden erklärt.

Darunter leiden mussten diejenigen, die ihr Recht auf Versammlungsfreiheit in Hamburg wahrnehmen wollten – allein am Rondenbarg landeten 14 von ihnen nachfolgend im Krankenhaus. Ausbaden mussten es die Hamburger*innen und der einfache Polizeibeamte auf der Strasse, der wenig gemein hat mit den Polizeieinheiten, die in diesen Tagen mit übermäßiger Gewalt gegen Protestierende vorgegangen sind.

Diese von oben verordnete Polizeitaktik im Rahmen des G20-Gipfels hat – um es mit den Worten von Prof. Dr. Rafael Behr, Professor an der Akademie der Polizei Hamburg zu sagen – das Demonstrationsrecht insgesamt als Kollateralschaden in Kauf genommen.

Soweit wir uns erinnern können, war es schon immer so, dass der Staat die Meinungs- und Versammlungsfreiheit angegriffen hat, wenn nicht die „richtige“ Meinung vertreten wird. Das fing an mit den Protesten gegen die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik in den 50er-Jahren und dem nachfolgenden KPD-Verbot, setzte sich fort mit den Ereignissen rund um den Schah-Besuch am 2. Juni 1967, der Studentenbewegung 1968, dem Widerstand gegen Atomkraftwerke und Castor-Transporte und der Hausbesetzerbewegung der 80er-Jahre. Prokurdische Aktivistinnen und Aktivisten können ein Lied von den zahlreichen Behinderungen auf ihren Demonstrationen singen.

Die Ereignisse rund um den G20-Gipfel in Hamburg haben in den letzten Jahren bereits massive Einschränkungen der Versammlungs- und Meinungsfreiheit zur Folge gehabt.

Sie haben dazu geführt, dass sich in Deutschland die erhebliche Einschränkung der Versammlungsfreiheit normalisiert hat. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, nach der die Versammlungsfreiheit ein „unentbehrliches Funktionselement des demokratischen Gemeinwesens“, „unmittelbarster Ausdruck der menschlichen Persönlichkeit und eines der vornehmsten Menschenrechte überhaupt“, das „Lebenselement“ der Demokratie ist (BVerfG, Beschluss vom 14. Mai 1985 – 1 BvR 233/81 –, BVerfGE 69, 315-372, Rn. 63) und das Verständnis, dass „dass die bestehenden, historisch gewordenen staatlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse verbesserungsfähig und verbesserungsbedürftig [sind und uns] damit eine nie endende Aufgabe gestellt [werde], die durch stets erneute Willensentscheidung gelöst werden müsse“ (BVerfG, Beschluss vom 14. Mai 1985 – 1 BvR 233/81 –, BVerfGE 69, 315-372, Rn. 64) scheint vergessen. Die Erkenntnis des Bundesverfassungsgerichts, dass „große Verbände, finanzstarke Geldgeber oder Massenmedien beträchtliche Einflüsse ausüben [können], während sich der Staatsbürger eher als ohnmächtig erlebt. [Dass] in einer Gesellschaft, in welcher der direkte Zugang zu den Medien und die Chance, sich durch sie zu äußern, auf wenige beschränkt ist, dem Einzelnen im allgemeinen nur eine kollektive Einflußnahme durch Inanspruchnahme der Versammlungsfreiheit für Demonstrationen [verbleibt]“ (BVerfG, Beschluss vom 14. Mai 1985 – 1 BvR 233/81 –, BVerfGE 69, 315-372, Rn. 65) scheint hier ungewollt zu sein.

Der Staat hat sich angewöhnt, Versammlungen an bestimmten Orten oder zu bestimmten Themen grundsätzlich zu verbieten oder zu behindern – durch Allgemeinverfügungen, Verbotszonen, teilweise martialische Polizeiaufgebote und mitunter kleinkarierter Einflussnahme auf die Inhalte der jeweiligen Demonstration. Es hat sich durchgesetzt, Meinungskundgaben vorab zu kriminalisieren. Dies zieht sich durch die letzten Jahre – ob bei Demonstrationen während der Corona-Pandemie, bezüglich des Ukraine-Krieges oder den Aktionen der Klimagerechtigkeitsbewegung. Den vorletzten Versuch einer Einschränkung dieser Grundrechte schrieb sich dann wieder die Hansestadt Hamburg mit ihrem flächendeckenden Verbot propalästinensischer Demonstrationen auf die Fahne. Man muss die Ansichten der Betroffenen nicht teilen, um die damit einhergehende Gefahr zu erkennen. Auch unsere Freiheit ist die der Andersdenkenden.

Und jetzt also als vorläufiger Schlußakkord diese Anklageschrift.

Das Verfahren ist bereits jetzt nicht von „Fairplay“ gekennzeichnet. Ein Verfahren, das normalerweise beim Amtsgericht verhandelt wird, landet wegen des „besonderen Umfangs“ vor der Strafkammer des Landgerichts. Dieses sieht auch einen „besonderen Umfang“ und zieht hierfür einen weiteren Berufsrichter hinzu. Wenn die Verteidigung dann folgerichtig einen zweiten Pflichtverteidiger haben möchte – wegen des „besonderen Umfangs“ – wird zurückgerudert. Das sei doch alles gar nicht umfangreich, ein einfach gelagerter Sachverhalt usw.

Wenn aber der Umfang zunächst „besonders“ groß war (was die Verteidigung im übrigen auch so sieht) und dann wieder nicht, stellt sich für uns die Frage: Warum dann eine Anklage vor der Strafkammer? Warum wird der Angeklagten auf diese Art und Weise die Berufungsinstanz genommen, die sie bei einer Anklage zum Amtsgericht hätte? Warum ist der „besondere Umfang“ für Gericht und Verteidigung unterschiedlich zu bewerten?

Diejenigen, die vor 6 ½ Jahren gegen den G20-Gipfel demonstriert haben, waren schon damals der Meinung, dass Treffen dieser Art zur Lösung globaler Fragen vollkommen ungeeignet sind, da hierbei nur die Vormachtstellung einiger weniger zementiert wird. Neben denjenigen, die sich in unserem Land die Ausplünderung der Länder des globalen Südens auf die Fahne geschrieben haben, waren auch solch angenehme Zeitgenossen wie die Herren Erdogan, Trump und Putin (allesamt Gipfelteilnehmer) geladen. Eine derartige Teilnehmerkonstellation wäre heute wohl ausgeschlossen.

Die Anklageschrift spricht den Angeklagten ihre Rechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit pauschal ab. Ihnen sei es nur um Krawall gegangen. Eine Verurteilung der Angeklagten mit Hilfe des Konstruktes der Staatsanwaltschaft Hamburg hätte zur Folge, dass jede und jeder auf einer Demonstration, die an irgend einer Stelle unfriedlich verläuft, mit in Haftung genommen wird. Das widerspricht zunächst dem Willen des Gesetzgebers, der eine derartige Ausuferung strafrechtlich relevanten Verhaltens gerade nicht wollte. Daneben bedeutet das „Schleifen“ der Grundrechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit auf diesem Wege vor dem Hintergrund einer drohenden Regierungsbeteiligung der AfD, dieser die Einschränkungen bürgerlicher Freiheiten auf dem Silbertablett zu servieren.