Prozessbericht 08 vom 15.03.2024

Die Verhandlung beginnt um etwa 9:10 Uhr. Sieben Prozessbeobachter*innen sind zu diesem Zeitpunkt noch nicht im Saal, obwohl sie vor 9 Uhr am Seiteneingang gewartet hatten und die Verhandlung erst beginnen soll, wenn alle Personen, die bis 9 Uhr in der Warteschlange stehen, auch im Saal eingetroffen sind. Die Kontrollen sind unverändert umfassend, inklusive Schuhe ausziehen. Es sind insgesamt 22 Personen im Publikum.

Der Prozesstag beginnt mit der Befragung der Zeugin Marion N. Sie arbeitet wie ihre beiden Kollegen, die gestern vor Gericht aussagten im Büro eines Labors der Firma Coim, das sich in der Schnackenburgallee befindet. Sie hat eine Aussage bei der Polizei zu ihren Beobachtungen am 07.07.2017 gemacht. Von ihrem Arbeitsplatz aus kann sie den Bereich Schnackenburgallee und die Autobahnbrücke sehen. Die Zeugin sagt, dass sie aus ihrem Bürofenster geschaut hat und sich wunderte, dass auf der Schnackenburgallee keine Autos fahren. Sie gibt an dann eine Menge gesehen zu haben, die sich geordnet die Schnackenburgallee entlangbewegte. Sie sagt, man wusste, dass das Camp im Volkspark ist, das Camp war in der Firma Thema.

Sie gibt an eine Fackel oder etwas Ähnliches gesehen zu haben. Sie kann aber nicht sagen, ob diese Fackel aus der Demo heraus kam oder von einem Fahrradfahrer. Die Zeugin sagt, sie habe beobachtet wie ab und zu jemand aus der Demo herauslief. Für die Zeugin war die Situation emotional belastend, da sie so etwas noch nicht erlebt habe und keine Vorgesetzten in der Firma waren. Sie gibt an sich Sorgen um die parkenden Autos an der Firma gemacht zu haben. Sie sagt, sie war beunruhigt, obwohl keine ersichtliche Gefahr zu erkennen war.

Die Richterin fragt, warum sie beunruhigt war. Die Zeugin antwortet, dass sie immer sehr vorsichtig ist und dass sich eine Gitterbox mit Gasflaschen am Firmengelände befindet. Sie sagt, sie wäre durch die Medienberichte vielleicht voreingenommen gewesen. Sie war sehr aufgewühlt bei der Befragung bei der Polizei. Sie sagt, es hätte ja etwas passieren können, außerdem wäre auch ihr Privatleben zu diesem Zeitpunkt emotional sehr aufwühlend gewesen.

Die Richterin fragt, ob die Zeugin bei jeder Demonstration so reagiert hätte und wie sie den Personenzug wahrgenommen hat. Die Zeugin berichtet, dass die Personen überwiegend dunkel gekleidet waren. Sie fügt hinzu, dass es „natürlich total hirnrissig“ sei, von der Kleidung auf das mögliche Verhalten zu schließen, die Richter*innen seien ja auch dunkel gekleidet. Die Zeugin konnte die Gesichter nur schemenhaft erkennen und kann auch nichts über das Alter der Personen sagen. Sie hatte erst später ihre Brille aufgesetzt. Sie sagt, sie hat beobachtet wie eine Person den Zug verlassen hat und etwas auf die Straße gelegt hat. Dann kam jemand anderes aus dem Zug und hat es wieder entfernt.

An einige ihrer Aussagen bei der polizeilichen Vernehmung kann sie sich heute nicht mehr erinnern. Im Protokoll der Vernehmung steht die Menge sei richtig marschiert. Heute sagt die Zeugin es sei eine formierte und zielstrebige Gruppe gewesen, die irgendwo hinwollte, die Menge sei normal gelaufen. In der Aussage bei der Polizei steht auch es war schrecklich und bedrohlich, heute sagt die Zeugin, dass sie vielleicht auch überängstlich ist. Sie hat während der Situation Handyaufnahmen und Fotos gemacht, welche in der Verhandlung gezeigt werden. Darauf ist ein Polizeiauto zu sehen und der Demozug mit Fahnen, es ist blauer Rauch zu sehen.

Nachdem die Befragung der Zeugin beendet ist, wird mittels Google Street View der Weg des Demozuges von der Sylvesterallee über die Schnackenburgallee bis zum Rondenbarg nachvollzogen. Es folgt eine längere Pause aufgrund der Verspätung der zweiten Zeug*in. Die Person, die als Zeug*in geladen ist, heißt Frank M. und hat damals als Sicherheitsdienstkraft bei der Firma Matthies gearbeitet. Die Person sagt, dass sie gegen 6:30 Uhr die Nachtschicht beenden wollte und zu diesem Zeitpunkt etwa 100 vermummte Personen und zwei Wasserwerfer gesehen hat. Die Zeug*in gibt an die Menge von einem Fenster aus gesehen zu haben, in einer Entfernung von 20 bis 30 Metern. Die Person sagt, sie habe eine weitere Kontrollrunde um das Gebäude gemacht und dort die Beschmierung „No G20“ an der Wand festgestellt.

Die Angaben der Person sind teilweise widersprüchlich. Erst sagt die Zeug*in sie habe gesehen wie einzelne Personen Steine aufgenommen haben und gegen das Gebäude geworfen haben. Im weiteren Verlauf der Zeugenaussage sagt die Person dann auf eine Nachfrage der Staatsanwaltschaft, dass sie nicht gesehen habe wie die Steine aufgenommen wurden. Bezogen auf die Wasserwerfer stellte die Richterin die Nachfrage zu welchem Zeitpunkt die Person diese gesehen hat, da in Videoaufnahmen ersichtlich ist, dass die Wasserwerfer erst später erscheinen. Die Zeug*in bleibt bei der Version, die vermummten Personen und die Wasserwerfer seien gleichzeitig vorbeigekommen. Die Person sagt aus, sie habe Angst um ihr Leben gehabt und dass bei Demos immer mit Gewalt zu rechnen sei. Die Zeug*in wurde von einem Kollegen zum Ende der Schicht abgelöst. Es gibt einen Anruf dieses Kollegen bei der Polizei am 08.07., einen Tag nach dem Geschehen, bei dem er sagt sein Kollege sei von 100 Personen aus dem Camp überfallen worden und das Gelände der Firma sei besetzt worden. Anwalt Wedel weist auf diese Unstimmigkeit in den Angaben des Zeugen hin, welcher möglicherweise die Ereignisse mit Geschehnissen zu einem anderen Zeitpunkt verwechselt.

Die Verhandlung wird gegen 12:30 Uhr geschlossen. Es findet noch ein Gespräch außerhalb der Hauptverhandlung mit den Richter*innen, der Staatsanwältin, der Verteidigung und den Angeklagten statt, um über das weitere Vorgehen der Beweisaufnahme zu sprechen.