Am heutigen Dienstag, den 3. September 2024, endete der G20-Rondenbarg-Prozess vor dem Landgericht Hamburg. Die Angeklagten wurden zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen verurteilt. Die Bündnisse „Grundrechte verteidigen“ und „Gemeinschaftlicher Widerstand“ kritisieren das Urteil scharf und bezeichnen es als einen Angriff auf die Versammlungsfreiheit. Die Verteidigung prüft eine Revision und sieht dafür bereits mehrere Ansatzpunkte.
Rechtsanwalt Adrian Wedel nimmt dazu Stellung: „Das heutige Urteil stellt einen schweren Angriff auf das Demonstrationsrecht dar. Der ‚Schwarze Finger‘ war eine nach Artikel 8 des Grundgesetzes geschützte Versammlung, die brutal von der Polizei zerschlagen wurde. Während die Polizeigewalt am Rondenbarg bis heute nicht aufgeklärt ist, werden die Protestierenden nun für Straftaten verantwortlich gemacht, die sie nicht begangen haben.“
Nils Jansen, einer der heute Verurteilten, sagte dazu: „Mit dem heutigen Urteil werden Demonstrierende in Kollektivhaftung genommen – das kann eine abschreckende Wirkung auf alle haben, die in Zukunft protestieren wollen. Neofaschistische Kräfte gewinnen nicht nur in Sachsen und Thüringen an Einfluss, gerade jetzt ist das Recht auf freie Versammlung wichtiger denn je.“
Der Rondenbarg-Prozess steht im Zusammenhang mit den Protesten während des G20-Gipfels 2017 in Hamburg. Die Angeklagten wurden wegen ihrer Anwesenheit auf einer Demonstration verurteilt, die am Rondenbarg von der Polizei gewaltsam aufgelöst wurde. Ihnen wurden keine individuellen Straftaten zur Last gelegt. Trotzdem begannen die Verhandlungen im Januar 2024 mit schweren Vorwürfen der Staatsanwaltschaft. Davon blieb nach 23 Prozesstagen wenig übrig. Die Verteidigung kritisierte das Verfahren wiederholt: Es diene vor allem der Rechtfertigung des Polizeieinsatzes am Rondenbarg, der zu zahlreichen Verletzungen führte, sowie der Legitimation der erheblichen Mittel, die in die Aufklärung durch die „SOKO Schwarzer Block“ geflossen sind. Für den damaligen Hamburger Senat war der G20-Gipfel 2017 ein Desaster – dafür sollen jetzt Demonstrierende herhalten, die zum Zeitpunkt der Ausschreitungen bereits in Gewahrsam waren.
Die Verteidigung sieht in dem heutigen Urteil einen Rückfall hinter den sogenannten Brokdorf-Beschluss von 1985. Dieser Beschluss stellt klar, dass der Schutz der Versammlungsfreiheit „für die Teilnehmenden auch dann erhalten bleiben muss, wenn mit Ausschreitungen durch Einzelne oder eine Minderheit zu rechnen ist.“
Der heute beendete Rondenbarg-Prozess ist Teil eines größeren Verfahrens mit insgesamt 86 Beschuldigten. Zwei weitere Rondenbarg-Verfahren gegen insgesamt 17 Beschuldigte wurden bereits vor Kurzem neu eröffnet, sodass ab kommendem Jahr mit weiteren Verhandlungen zu rechnen ist.
Pressemitteilung von „Grundrechte verteidigen“ und Gemeinschaftlicher Widerstand