Kurzbericht mit Fotos von den Demonstrationen vor der Urteilsverkündung im Rondenbarg-Prozess

Am 24. August haben in Hamburg und in Karlsruhe Demonstrationen unter dem Motto „Versammlungsfreiheit verteidigen! Freispruch für die Angeklagten im G20-Rondenbarg-Prozess!“ stattgefunden. In Hamburg beteiligten sich rund 300 Menschen an einer sehr lautstarken Demo, die vom Gänsemarkt über das Landgericht am Sievekingplatz bis nach Sankt Pauli zog. Es gab gute Redebeiträge von der Roten Hilfe Hamburg, von Perspektive Kommunismus, der Waterkant Antifa, der IL Hamburg und einen Beitrag von den beiden Angeklagten im aktuellen Verfahren sowie ein Grußwort von den 17 Angeklagten, deren Rondenbarg-Verfahren kürzlich eröffnet wurde.

In Karlsruhe zogen 150 Demonstrierende vor das Bundesverfassungsgericht, um auf den Brokdorf-Beschluss aus dem Jahr 1985 hinzuweisen. Die Entscheidung bezieht sich auf die Klage gegen das Verbot von Demonstrationen, die sich gegen die Errichtung des Kernkraftwerks Brokdorf richteten. Das Bundesverfassungsgericht hatte die Verbote als nicht vereinbar mit dem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit zurückgewiesen. Bei den Protesten gegen den G20 wurde am Rondenbarg das Recht auf Versammlungsfreiheit mit Polizeigewalt zerschlagen und im Nachgang droht mit den Urteilen im Rondenbarg-Prozess ein massiver Angriff auf das Demonstrationsrecht, da Angeklagte allein wegen der Anwesenheit bei der Versammlung wegen Landfriedensbruch verurteilt werden sollen und nicht etwa aufgrund individueller Tatvorwürfe. In Karlsruhe gab bei der Demo Reden von Betroffenen im Fall Knastspaziergang Offenburg, ein Grußwort von Thomas Meyer-Falk, der IL Hamburg sowie der Angeklagten im aktuellen und im kommenden Rondenbarg-Prozess.

Am 26. und 27. August werden die letzten Prozesstage mit Plädoyers und politischen Abschlusserklärungen der Angeklagten sein, am 3. September wird das Urteil erwartet. Kommt nach Hamburg zu den Prozessterminen!

Fotos aus Hamburg

Hamburg

Hamburg

Hamburg

Hamburg

Hamburg

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Hamburg

Hamburg

Fotos aus Karlsruhe

Karlsruhe

Karlsruhe

Karlsruhe

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Karlsruhe

Karlsruhe

Karlsruhe

Karlsruhe

Karlsruhe

Karlsruhe

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Karlsruhe

Karlsruhe

Beitrag der zwei Angeklagten im aktuellen Rondenbarg-Verfahren

Liebe Genoss*innen, liebe Freund*innen,
Es ist ganz wunderbar, dass ihr da seid.
Wir senden euch herzliche Grüße und ein großes Dankeschön.

Eure Solidarität hat uns stärkend durch diesen langwierigen Prozess getragen. Wir konnten uns immer auf euch verlassen.
Genauso wie damals bei den Protesten gegen den Gipfel. Trotz all der schockierenden Erlebnisse dort, hat uns der Zusammenhalt – auf der Straße wie im Gewahrsam – um so stärker daraus hervorgehen lassen. Gemeinsam schaffen wir so eine Perspektive, und zusammen setzen wir sie hier bereits um.

Ihr gebt uns Mut und Kraft. Ihr habt sehr viel eurer Zeit und Energie darein gesteckt – ohne euch würde es uns heute nicht so gut gehen und ohne euch wären wir wahrscheinlich heute nicht an dem Punkt, dass ein Großteil der Anklage in sich zusammengebrochen ist.

Ihr kümmert euch darum, dass niemand allein gelassen wird.
Und ihr bietet diesen fürchterlichen Verhältnissen die Stirn.

Unser Protest ist notwendig. Und er war es auch vor sieben Jahren. Die Beschlüsse vom G20 2017 haben Auswirkungen bis heute. Und auch die Gewalt ihrer Herrschaft hat schon zu viele Spuren hinterlassen. Die Widersprüche spitzen sich seither zu. Das Kapital ringt um sein Wachstum und seinen Profit. Aber nicht mit uns und nicht auf unserem Rücken! Dieser Herrschaft, der Ausbeutung und Unterdrückung, die so viel unsägliches Leid produziert, stellen wir uns in den Weg und setzen unser solidarisches Miteinander entgegen.

Wir wünschen allen anderen Angeklagten viel Durchhaltevermögen und Zuversicht. Und stets genügend Menschen, die hinter ihnen stehen.

Wir senden kämpferische Grüße an alle, die verfolgt werden, die im Knast sitzen und die gegen diese Zustände vorgehen.
Wir bleiben an eurer Seite.
United We stand

Redebeitrag der 17 Angeklagten aus den neu eröffneten Rondenbarg-Verfahren

Ich spreche heute als Angeklagte im sogenannten Rondenbarg-Verfahren für eine Gruppe von 17 Beschuldigten. Wir sind eine bunt gemischte Truppe: Gewerkschaftsaktive, Aktivist:innen für Klimagerechtigkeit, Antimilitarist:innen, Feminist:innen, Antifaschist:innen und Revolutionär:innen.

Vor einigen Wochen flatterten uns Eröffnungsbeschlüsse für Prozesse ins Haus. Wir werden voraussichtlich im kommenden Jahr, aufgeteilt in zwei Gruppen, in Hamburg vor Gericht stehen.

Nächstes Jahr ist der G20-Gifpel acht Jahre her. Acht Jahre!

Ein kleiner Rückblick: Genau wie Zehntausende andere machten wir uns Anfang Juli 2017 auf den Weg nach Hamburg um Teil der Proteste gegen den Gipfel der Herrschenden zu sein. Wir wollten uns an Aktionen gegen die mörderische Hinterzimmer-Politik der mächtigsten Staaten der Welt beteiligen.

Schon zum Start der Protesttage wurde beim Angriff der Cops auf die Wellcome-to-Hell-Demo recht schnell klar wie die Einsatztaktik gelagert ist: Drauf schlagen auf alles was sich rührt, ohne Rücksicht auf Verluste. Bullen prügelten unter „Attacke“-Rufen blind auf Demonstrant:innen ein. Wir erlebten wie Menschen in Panik mehrere Meter tief in die Elbe sprangen; wie Menschen, an eine Mauer gedrängt zusammengeschlagen wurden; reanimiert werden mussten.

Den Schreck noch in den Knochen machten wir uns dennoch mit Hunderten anderen am folgenden Tag zu Blockade-Aktionen auf. Wir waren entschlossen trotz der Bilder vom Vortag zu versuchen wirksamen Protest auf die Straße zu bringen. Weit kamen wir nicht! Die Bullen hinterließen ein Schlachtfeld; schoben zwei, drei Pyrotechnik und einzelne Steinen, die nicht in Wurfweite waren als Grund dafür vor, die Einschüchterungstaktik durch massive Polizeigewalt wie am Vortag Fortzusetzen. Das Resultat: „Massenanfall an Verletzten“. In der Situation konnte man gar nicht greifen was da eigentlich gerade abgeht. Erst in den folgenden Stunden, Tagen, Monaten und Jahren sollte klar werden wie lange uns die zwei Minuten Bullenwahnsinn noch begleiten.

Fabio saß Monate in Untersuchungshaft, andere ein paar Tage und Wochen. Einige von uns sind traumatisiert und oder erlitten schwere Verletzungen, die sie teilweise bis heute begleiten – Operationen, Rehas, wieder OP … Aber: Bei G20 gab es keine Polizeigewalt!
Und nun auch noch die Prozesse.

Auch unsere Genoss:innen, denen bald das Urteil verkündet werden soll haben in ihrer Prozesserklärung deutlich gemacht, dass das Verfahren eine enorme Belastung für jeden einzelnen Betroffenen bedeutet. Wir kommen zum Großteil weit aus dem Süden der BRD und müssen uns überlegen wie wir einen an die 25 Tage umfassenden Prozess in Hamburg mit den jeweiligen Lebensumständen stemmen können. Unsere Lebensumstände: dass beinhaltet bei einigen Angeklagten auch, dass sieben Jahre später Kinder Teil unseres Lebens sind. Der Prozess wird uns als Individuen, aber auch als Bewegung herausfordern und an Grenzen bringen.

Für uns gilt es nun uns intensiv auf die Verfahren vorzubereiten. Der Vereinzelung in Strafverfahren setzen wir ein Kollektiv entgegen. Um gemeinsam Organisatorisches zu klären, aber auch politische Debatten miteinander zu führen: Nehmen wir Einstellungsangebote an, führen wir eine offensive Prozessstrategie, was ist unser Ziel, wie agieren wir als Gruppe, welche politische und persönliche Unterstützung brauchen wir …

Klar ist, wir sind solidarisch miteinander. Wir wollen soweit es im Rahmen unserer Möglichkeiten ist kollektiv diskutierte Entscheidungen treffen. Und wir lassen uns nicht einmachen!
Denn wir sind nicht allein! Sieben Jahre später kämpfen wir immer noch auf der Straße, unterstützen Streiks in Gewerkschaften, sind in politischen Strukturen organisiert. Weil wir das im Rücken haben können wir das was am Rondenbarg passiert ist und die folgenden Prozesse als einen Angriff auf die linke Bewegung und das Demonstrationsrecht begreifen und nicht als persönliche Angelegenheit. Sie haben uns auf der Straße verprügelt und zerren uns vor Gericht, aber unsere politischen Persönlichkeiten und unsere Solidarität brechen sie nicht!

Redebeitrag der IL Hamburg

Die Proteste, Blockaden und Aktionen gegen den G20-Gipfel 2017 in Hamburg waren notwendig, sie waren richtig und sie waren erfolgreich. Den Angeklagten und Betroffenen im Rondenbarg-Prozess sagen wir daher zuallererst: Danke, dass ihr 2017 in Hamburg wart. Lasst euch nichts einreden und lasst euch von Prozess und Anklage nicht verunsichern: Ihr wart – und ihr seid auf der richtigen Seite!

Die richtige Seite, das waren
- die Hunderttausend Menschen aus allen Spektren, die gegen das Spektakel des G20-Gipfels protestiert haben
- alle, die gegen die Hoffnungslosigkeit des globalen Kapitalismus aufbegehren, der obszönen Reichtum für Wenige, aber Elend und Armut für Milliarden schafft
- alle die gegen Rassismus, für Bewegungsfreiheit, für gleiche Rechte und gleiche Sicherheit für alle Menschen eingetreten sind
- alle, die sich von den Schikanen, den Demoverboten, von der Polizeigewalt und der medialen Angstmache nicht haben einschüchtern lassen, sondern sich mutig und entschlossen die Straßen genommen haben

Wir versprechen euch: Solidarität endet nicht nach der Aktion. Wir lassen euch nicht im Stich und werden uns unablässig einsetzen, für die Einstellung eurer Verfahren, für die Rehabilitierung aller bereits verurteilten und dafür, dass die eigentlichen Verantwortlichen für Eskalation und Gewalt zur Rechenschaft gezogen werden: Die prügelnden Cops, die Einsatzleiter, die den Befehl für Überfälle wie am Rondenbarg gegeben haben und natürlich den Hauptverantwortlichen für G20 in Hamburg: Olaf Scholz.

Scholz war seine schöne G20-Show, bei der er sich im Glanz der Staatsgäste sonnen wollte, gründlich danebengegangen. Er wollte Macht und Bedeutung präsentieren, einen inhaltlich sinnlosen, aber 100 Millionen Euro teuren Fototermin. Und bei der Durchsetzung der Messehallen und der Elbphilharmonie als Tagungsorte um eine Provokation, eine Kampfansage an alle kritischen Menschen. Olaf Scholz, Andy Grote und ihre Polizei wollten zeigen, dass sie alles im Griff haben, wollten beweisen, dass sie die stärkste Gang auf den Straßen sind. Das ist ihnen gründlich misslungen, auch dank euch!

Die falsche Seite ist die des Hamburger Senats und seine Polizei. Wer Putschisten und Antidemokraten wie Donald Trump, wer Kriegsverbrecher wie Erdogan und Putin als Ehrengäste empfängt, sollte uns nicht über Friedlichkeit belehren. Wer für die Mächtigen dieser Welt, die Verantwortlichen für Krieg, Armut und Klimazerstörung, den roten Teppich ausrollt. Wer dafür eine 38 Quadratkilometer Demoverbotszone errichtet, den Alltag unzähliger Hamburger*innen durch Hubschrauberlärm und willkürliche Polizeisperren belastet, wer Gerichtsurteile über die Zulässigkeit von Camps ignoriert, der sollte von Grundrechten und Demokratie schweigen!

Im aktuellen Prozess gegen unsere Genoss*innen geht es um einen unprovozierten, gewalttätigen und brutalen Überfall. Die Täter waren Mitglieder einer Sondereinheit der Bundespolizei. Das Ergebnis ihres waren 14 schwerverletzte Aktivist*innen, von denen einige noch heute an den Folgen der damals erlittenen Knochenbrüche leiden. Den schwergepanzerten Einsatzkräften passierte nichts. Heute, sieben Jahre später, noch immer, nicht etwa die Täter, sondern ihre Opfer vor Gericht zu zerren, wie es die Hamburger Staatsanwaltschaft tut, dazu braucht es schon eine gehörige Portion zynischer Bosheit.

Das ist juristische Rache, so wie Olaf Scholz sie schon unmittelbar nach dem Gipfel forderte. Aber den autoritären, reaktionären Hardlinern in der Staatsanwaltschaft geht um mehr: Sie wollen die Rechtsgeschichte der BRD um Jahrzehnte zurückzudrehen. Seit der Reform von 1970 kann wegen schwerem Landfriedensbruch nur noch verurteilt werden, wer selbst Gewalt anwendet oder eine Waffe bei sich führt. Versammlungsfreiheit heißt – und das haben unsere Eltern und Großeltern 1968 auf den Straßen durchgesetzt, an einer Demonstration teilnehmen zu können, ohne befürchten zu müssen, wegen der Taten anderer bestraft zu werden.

Allen Beschuldigten werden keinerlei individuelle Taten, sondern nur die reine Anwesenheit vorgeworfen. Damit geschieht das Gleiche, was viele Betroffene auch abseits von politischen Aktionen im Alltag erleben: Wer schikaniert und verprügelt wird, bekommt zur Rechtfertigung der Polizeigewalt noch ein Strafverfahren obendrauf. Das soll die Opfer einschüchtern und die fatale Kultur der Straflosigkeit für die Polizei aufrechterhalten. Wir werden das nicht hinnehmen!
Der Zusammenhalt in der Bewegung, zwischen Moderaten und Radikalen, darf auch heute nicht enden, damit der Plan der autoritären Hardliner in der Staatsanwaltschaft nicht aufgeht und alle G20-Verfahren endlich eingestellt werden. Es gilt das Motto der riesigen Großdemonstration vom 08.07.2017: Grenzenlose Solidarität statt G20!