Prozessbericht 22 vom 26.08.2024

Der Prozesstag beginnt um 9:50 Uhr. Es sind 22 Prozessbeobachter*innen anwesend.

Zu Beginn verliest die Richterin Boddin die Wochenmeldung des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) 22 aus 2017. Es geht darin um die „linksextremistische Mobilisierung gegen den G20-Gipfel“ Darin heißt es, dass die linksextremistische Szene eine ungewohnte Einigkeit zeige. Verschiedene Bündnisse wie NoG20, regionale Bündnisse, autonome und legalistische Strukturen mobilisieren. Von einer Lageeskalation und militanten Aktionen muss ausgegangen werden. Das Bündnis NoG20 besteht aus nichtextremistischen und autonomen, kommunistischen Gruppen wie Interventionistische Linke (IL), Ums Ganze (UG), GROW, PRP, Perspektive Kommunismus, DKP und Jugend gegen G20. Das Bündnis wird maßgeblich von IL und UG getragen. Zwei Aktionskonferenzen fanden statt. Es wurde eine Protestchoreographie und ein Aktionskonsens festgelegt. Es ist ein massenhafter Regelübertritt mit Menschenblockaden geplant. Es heißt darin „Von uns wird keine Eskalation ausgehen“. Quelle ist die Website von BlockG20 vom 16. Mai 2017. In der Meldung vom BfV heißt es, dass dies kein Bekenntnis zum Gewaltverzicht bedeutet, es sei Platz für alle Aktionsformen und auch Raum für militanten Protest vorgesehen. Emily Laquer wird zitiert: „Unser gemeinsamer Ausdruck ist bunt, und auch Schwarz“ (27.04.2017). Es wird in der Wochenmeldung auf die verschiedenen Bündnisse eingegangen wie Welcome to Hell und G20 entern. Außerdem werden Bündnisse aus Stuttgart, Berlin und die Autonome Antifa Freiburg erwähnt. Im Bericht ist auch eine Karte mit den regionalen Schwerpunkten der Mobilisierung enthalten.

Danach wird von der Richterin Boddin ein Vermerk vom Rondenbarg-Ermittlungsführer Richters zu Gerrit Greimann verlesen. Es sollte versucht werden den Aufenthaltsort von Greimann zu ermitteln. Die Handynummer ist neu vergeben, der Facebook-Account nicht mehr aktiv und eine Meldeadresse konnte nicht festgestellt werden. Hintergrund ist ein Antrag der Verteidigung. Im Rondenbarg sind mehrere Leute aus Göttingen festgenommen worden. Greimann könnte im Schwarzen Finger dabei gewesen sein. Es wurden mehrere Fragen an das LKA Niedersachsen gestellt. Es sollte geklärt werden ob sich Greimann im Zeugenschutz befindet, wie die Meldeadresse lautet und ob es ein Verschwiegenheitsabkommen mit ihm gibt. Das LKA Niedersachsen antwortete darauf, dass ihnen keinerlei Erkenntnisse zum Einsatz von V-Personen im Schwarzen Finger vorliegen.

Die Richterin verliest einen weiteren Vermerk von Richters zu der Frage, ob am Rondenbarg ein Polizeihubschrauber eingesetzt worden sei und dieser Videoaufnahmen vom Schwarzen Finger am 07.07.2017 aufgezeichnet habe. Es konnten keine Videoaufnahmen eines Polizeihubschraubers aufgefunden werden. Anders als es erst fälschlicherweise im Polizeibericht zum Rondenbarg lautete sei kein Polizeihubschrauber eingesetzt worden.

Richterin Boddin verliest einen Vermerk vom 26.08.2024 zur Verfahrensdauer den sie selbst verfasst hat. 103 Personen seien wegen der Teilnahme am Schwarzen Finger beschuldigt. Neun Verfahren seien an die Schweiz abgegeben worden. Zur zeitlichen Abfolge wird verlesen, dass am 26.09.2019 die Anklageschrift gegen sieben Angeklagte gefertigt wurde und die Akten am 04.10.2019 bei der Kammer eingingen. Das Verfahren wurde dann wegen der Corona-Pandemie und den EncroChat-Prozessen nicht mehr weiter vorangebracht und auch wegen personellen Engpässen in der Kammer erst am 20.07.2023 eröffnet. Die Verhandlung wurde ab Januar 2024 terminiert, mit Beginn am 18. Januar 2024. Bisher haben 21 Sitzungstage stattgefunden.

Im Anschluss erfolgt eine Inaugenscheinnahme von Screenshots aus dem Bereich Sylvesterallee von der Soko. Es sind Bilder von schwarz gekleideten und weiter hinten weniger schwarz gekleideten Personen zu sehen. Außerdem werden Videoprints aus Aufnahmen von Zeug*innen und von der Polizei Blumberg gezeigt. Am Schluss werden noch Fotos von den anderen Blockade-Fingern gezeigt.

Der Antrag der Verteidigung an das Verwaltungsgericht Hannover wurde abgewiesen. Der Mitarbeiter des Landesamtes für Verfassungsschutz Schindelar sollte eine weitergehende Aussagegenehmigung erteilt bekommen, hinsichtlich der vom Landesamt für Verfassungsschutz bei den Protesten gegen den G20-Gipfel eingesetzten Mitarbeiter*innen des Landesamtes und den Vertrauenspersonen. Es sollte eine Aussagegenehmigung zur Beteiligung an Vorbereitungs- und Planungstreffen für die Aktionen „Colour the Red Zone“ beziehungsweise „Block G20“ und insbesondere hinsichtlich der Beteiligung der V-Person des LfV Niedersachsen Greimann erteilt werden.

Da der Antrag keinen Erfolg hatte, wird der Zeuge Schindelar unvereidigt entlassen.
Die Richterin verließt noch ein Schreiben des Zeugen Schindelar vom 20.08.2024 zu den Fragen ob V-Personen im Dienste des VS Niedersachsen an Aktionskonferenzen und an den Protesten gegen den G20-Gipfel teilgenommen haben und ob V-Personen in Gewahrsam genommen wurden. In der Antwort verweist Schindelar darauf, dass er dafür keine Aussagegenehmigung hat und durch eine Antwort Rückschlüsse auf die Identität der vom Landesamt für Verfassungsschutz eingesetzten Personen möglich wären. Auch zu verdeckten Personen von anderen Sicherheitsbehörden kann er keine Aussagen machen. Zur Frage ob V-Personen im Schwarzen Finger am 07.07.2017 anwesend waren, antwortet er, dass dazu keinerlei Erkenntnisse vorliegen.

Anwalt Richwin weist darauf hin, dass die Aussagen von Schindelar mit Vorsicht zu bewerten sind. Wenn Schindelar sagt, dass keinerlei Erkenntnisse zum Einsatz von V-Personen des VS Niedersachsen vorliegen, muss das nicht heißen, dass nicht andere V-Personen im Einsatz waren. Schindelar hatte auch gesagt, dass es nicht erwiesen sei, dass Greimann V-Person gewesen ist. Anwalt Richwin zitiert aus der Klage zur Feststellung der Rechtswidrigkeit des Einsatzes der V-Person Greimann. Darin legt der VS Niedersachsen dar, dass die V-Person Greimann dauerhaft eingesetzt werden durfte, da das Beobachtungsobjekt (Basisdemokratische Linke) von Relevanz sei. Außerdem führt der VS darin aus, warum Greimann als V-Person tauglich sei. Anwalt Richwin stellt angesichts der genannten Auszüge aus der Klage fest, dass die Aussage von Schindelar, dass der VS nicht bestätigen würde, dass Greimann V-Person für sie war, hart an der Lüge ist.

Richterin Boddin verliest die Entscheidung der Kammer zum Antrag der Verteidigung auf Einstellung des Verfahrens. Die Verteidigung hatte beantragt das Verfahren nach § 206a Abs. 1 StPO einzustellen. Laut der Verteidigung liegt eine rechtsstaatswidrige Tatprovokation vor, die zu einem Verfahrenshindernis führt. Der Antrag wird von der Kammer zurückgewiesen. Laut der Kammer sei dahingestellt ob eine „rechtsstaatswidrige Tatprovokation“ immer zu einem Verfahrenshindernis führen muss. Ungeachtet dieser Frage sieht die Kammer keine unzulässige Tatprovokation. Eine nicht tatgeneigte Person kann zu einer Tat provoziert werden. Eine Infiltration ist rechtmäßig, wenn kein Druck durch die Ermittlungspersonen auf andere ausgeübt wird. Selbst wenn sich eine oder mehrere V-Personen oder verdeckte Ermittler*innen am 07.07.2017 am Rondenbarg befunden haben oder auch an der Vorbereitung anwesend gewesen seien, folgt für die Kammer daraus nicht, dass diese Personen stimulierend gewirkt hätten oder Einfluss ausgeübt hätten. Es kann somit nicht von einer Tatprovokation die Rede sein. Die Teilnahme am Aufzug und das Anlegen schwarzer Kleidung, einheitlichen Schuhwerks oder Vermummung sei nicht durch V-Personen beeinflusst worden.

Der Antrag auf Aussetzung der Verhandlung wird ebenfalls abgelehnt, da das Verwaltungsgericht Hannover den Antrag bezogen auf eine erweiterte Aussagegenehmigung abgelehnt hat. Die Beweisaufnahme soll heute geschlossen werden. Es ist nicht zu erwarten, dass durch den Zeugen Schindelar weitere Erkenntnisse zu Tage kommen, da der VS Niedersachsen bereits mitgeteilt hat, dass ihnen keinerlei Erkenntnisse zum Einsatz von V-Personen im Schwarzen Finger vorliegen.

Auch der Antrag von Anwalt Wedel auf die Beiziehung eines Lageberichts bezüglich V-Personen in der Vorbereitung der NoG20-Proteste und bei Color the Red Zone wird zurückgewiesen. Die Anwesenheit von V-Personen des Bundesamtes für Verfassungsschutz oder von verdeckten Ermittler*innen aus Italien, würde für die Kammer keine rechtstaatswidrige Tatprovokation darstellen, wie es bereits in der Begründung zur Ablehnung des Einstellungsantrages ausgeführt wurde.

Es findet eine 15-minütige Pause statt, da Auszüge aus dem Urteil des Verwaltungsgericht Hannover zur Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Einsatzes der V-Person Greimann ausgedruckt werden sollen.

Nach der Pause werden Auszüge daraus verlesen. Die Klage wurde 2021 abgewiesen. Die Klägerin wollte die Rechtswidrigkeit des Einsatzes von Greimann feststellen lassen. Der Niedersächsische Verfassungsschutz ordnet die „Basisdemokratische Linke“ (BL) der antiimperialistisch ausgerichteten Gruppe „Interventionistische Linke“ und damit den autonomen und sonstigen gewaltbereiten Linksextremisten zu. Deren Bestrebung richte sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung und ziele auf die Abschaffung des Staates und seiner Institutionen sowie deren Ersetzung durch eine herrschaftsfreie Gesellschaft ab. Die V-Person habe dauerhaft eingesetzt werden dürfen, da das Beobachtungsobjekt von erheblichem Interesse sei. Die V-Person habe nicht den rechtlichen Rahmen was V-Personen dürfen überschritten. Weiter heißt es „Die Kammer folgt der Einschätzung des Niedersächsischen Verfassungsschutzes, dass es sich bei der IL – als einer den Autonomen zuzurechnenden Gruppierung – um eine verfassungsfeindliche Gruppierung handelt und teilt dessen Bewertung, dass es sich bei dieser Gruppierung um eine der bedeutendsten postautonomen Bündnisse handelt, dessen Akteure sich zwar um ein gemäßigteres äußeres Erscheinungsbild aus taktischen Erwägungen bemühen sich hinter diesem Verhalten aber eine latent vorhandene Militanz verbirgt.“ Ein weiterer Absatz der verlesen wird lautet: „Es ist zunächst nicht ersichtlich, dass dem Beklagten die Erforschung des Sachverhalts auf andere, die Betroffenen weniger beeinträchtigende Weise möglich gewesen wäre, da linksextremistische Gruppierungen typischerweise im geheimen und konspirativ agieren. Als exemplarisches Beispiel kann hierfür die Durchführung eines Aktionstrainings unter Beteiligung von Mitgliedern der BL am 26.03.2017 herangezogen werden. Dieses Training diente nach Auskunft der VP der Verbesserung der Handlungsfähigkeit im Fall von körperlichen Auseinandersetzungen mit Nazis oder dem plötzlichen Auftreten von Angehörigen des ‚Freundeskreis Thüringen/Niedersachsen‘ im Stadtgebiet von B-Stadt. Die Anreise zum Veranstaltungsort erfolgte nach Auskunft der VP über zwei Schleusungsstellen konspirativ.“

In dem Urteil heißt es außerdem, dass Greimann die persönlichen Anforderungen als V-Person erfüllte, da er volljährig ist und keinen Straftatbestand von besonderer Bedeutung verwirklicht hat. Außerdem wird noch ein Auszug verlesen, in dem dargelegt wird, dass V-Personen bestimmte Straftaten begehen dürfen, zu denen auch „szenetypische Straftaten“ zählen.

Richterin Boddin erklärt, dass eine Verständigung zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung nicht erfolgt ist. Die Beweisaufnahme wird um 11:45 Uhr geschlossen. Es folgt eine Mittagspause bis 13 Uhr.

Nach der Mittagspause folgt die 2,5 Stunden dauernde Abschlusserklärung der Staatsanwältin Meesenburg. Vorab betont sie, dass es nicht darum gehen solle, die Versammlungsfreiheit einzuschränken, wie dies in der Presse zum Teil behauptet würde. Der Schwarze Finger unterscheide sich von anderen Versammlungen. Es sei vollkommener Unsinn diesen Fall auf andere Demonstrationen zu übertragen.

Die Staatsanwältin beginnt mit einer Darstellung der Anreise der Angeklagten. Ein Angeklagter sei mit dem Sonderzug zu den Protesten angereist und habe sich in das Camp begeben. Er habe auch den Ticketverkauf für den Sonderzug mit organisiert. Die andere Angeklagte soll ebenfalls spätestens am Vorabend im Camp in Altona eingetroffen sein, über die Anreise ist nichts bekannt. Ob die beiden Angeklagten am Vorbereitungstreffen für die Blockaden am Abend im Camp teilgenommen haben, ist nicht bekannt.

Die Staatsanwältin gibt an, dass vier Finger (rot, blau, grün, schwarz) vom Camp Richtung Innenstadt gegangen sind. Es gab eine Fingertaktik um die Zufahrtswege der Gipfelteilnehmer zu blockieren. Die Angeklagten sollen sich dem Schwarzen Finger angeschlossen haben. Diese Personengruppe trug Transparente und Fahnen. Es gab Sprechchöre wie A-Anti-Anticapitalista. Sie waren bis auf wenige Ausnahmen komplett schwarz gekleidet. Es wurden Fischer- beziehungsweise Anglerhüte getragen und Turnschuhe mit weißen Sohlen. Es beteiligten sich Mitglieder der Bonner Jugendbewegung daran, diese führten ein Megafon mit sich. Hier befand sich auch einer der Angeklagten.

Laut Staatsanwältin waren sich die Angeklagten bewusst, dass mit dem Aufzug die öffentliche Sicherheit beeinträchtigt werden könnte und es zu Gewalttätigkeiten kommen könnte. Die Gruppe bewegte sich zügig und in geschlossener Formation. Es wurden Baken auf die Straße gezogen und Teilnehmer zertrümmerten Steine. Vor der Autobahnbrücke sei der Gehweg besprüht worden mit dem Slogan NoG20. Baustellenelemente seien auf die Straße gezogen worden und Steine seien zerbrochen worden. Zudem sei ein Nebeltopf gezündet worden. Der Verkehr sei durch die Steine auf der Straße beeinträchtigt worden. Es sei dann eine Fassade mit der Parole NoG20 besprüht worden und Mülltonnen auf die Straße gezogen worden.

Die Staatsanwältin behauptet, dass nicht nur der Fahrplanhalter einer Bushaltestelle demoliert wurde, sondern, dass die Scheiben einer anderen Bushaltestelle eingeworfen worden seien. Es hätten sich immer wieder Einzelne aus dem Zug entfernt. Einige Personen legten orangene Westen an. Der Aufzug habe auf die Verkehrsteilnehmer und Büroangestellten einen bedrohlichen Eindruck gemacht.

In der Einmündung zum Rondenbarg sei die Gruppe auf die Polizeieinheit Eutin getroffen. Die Einheit sei von der Gruppe mit 10 bis 15 Gegenständen beworfen worden. Im Rondenbarg auf Höhe der Hausnummer 20 sei die Gruppe in Sichtweite der Blumberger Einheit gekommen. Die Beamten versperrten mit ihren Fahrzeugen die Straße. Die Gruppe bewegte sich auf die Einheit zu. Vorne seien die Personen fast ausnahmslos vermummt gewesen. Es seien Rauchtöpfe in Richtung der Beamten geworfen worden sowie drei weitere pyrotechnische Gegenstände und acht faustgroße Steine. Fahrzeuge wurden nicht beschädigt. Die Beamten hätten sich erst danach der Gruppe genähert. Die Staatsanwältin führt aus, dass dann die Einheit Hünfeld und die Einheit aus Bayern eintrafen und der Wasserwerfer eingesetzt wurde. Personen seien über ein angrenzendes Firmengelände geflüchtet. Ein anderer großer Teil habe versucht über das Firmengelände von Transthermos zu flüchten. Dabei sei durch das gleichzeitige Überschreiten des Geländers zu einem Parkplatz, das Geländer herausgebrochen. 59 Personen wurden vorläufig festgenommen. 14 Personen seien aufgrund des gebrochenen Geländers in Krankenhäuser gebracht worden.

Die Staatsanwältin fährt fort, dass den Angeklagten keine eigenhändigen Gewalttaten wie Stein- oder Pyrowürfe nachgewiesen werden können. Sei seien aber im Schwarzen Finger gewesen. Der eine Angeklagte habe eine Kapuze aufgehabt, die andere Angeklagte habe eine Sturmhaube über den Mund gezogen und schwarze Handschuhe getragen. Der eine Angeklagte habe versucht über das Gelände von Transthermos zu flüchten. Der anderen Angeklagten gelang es nicht über den Zaun zu kommen und sie war bei einem blauen Volvo. Der Sturmhaube und den Handschuhen habe sie sich dort entledigt.

Die Staatsanwältin nennt Gegenstände wie Transparente, Fahnen, Kleidungsstücke, 38 Steine, einen Seitenschneider, Hämmer, Feuerlöscher, Böller, Schutzbrillen, 28 Handschuhpaare, Anglerhüte, 41 Sturmhauben, 8 Basecaps und 13 Sonnenbrillen, die vor Ort festgestellt wurden. Ein materieller Schaden könne nicht genau beziffert werden, der Betrag liege im höheren vierstelligen Bereich.

Die Angeklagten haben keinerlei Angaben zur Sache gemacht. Die Staatsanwältin stützt sich auf Angaben von Zeug*innen und Videos, die ihrer Ansicht nach keinen Zweifel am dargelegten Sachverhalt lassen.

Die Staatsanwältin geht darauf ein, dass der Rote Aufbau Hamburg maßgeblich an der Organisation des Schwarzen Fingers beteiligt gewesen sei. Die Antikapitalistische Aktion Bonn (AKAB) habe den Verkauf von Tickets für den Sonderzug organisiert. Ein Angeklagter sei 2017 Mitglied von AKAB gewesen, was durch Videoaufnahmen bei der LLL-Demo 2017 und gefundenen Fahnen belegt sei. Auf Pressekonferenzen habe der Angeklagte bestätigt, dass er beim Camp war. Die andere Angeklagte wurde vor Ort am Rondenbarg festgestellt. Es sei deswegen anzunehmen, dass sie vorher beim Camp war.

Die Staatsanwältin bezieht sich in ihren weiteren Ausführungen auf den Zeugen Thordsen. Dieser Zeuge hatte nicht in der Hauptverhandlung ausgesagt, er hatte in einem anderen Verfahren ausgesagt. Der Zeuge habe detaillierte Angaben zu den auf die Straße gezogenen Gehwegplatten, Baken und Steinen gemacht. Außerdem bezieht sich die Staatsanwältin auf die Zeugin Groth, welche ebenfalls nicht in der Hauptverhandlung aussagen konnte. Groth habe zwei völlig zerstörte Bushaltestellen gesehen und ausgesagt, dass der Verkehr nicht mehr ungehindert fließen konnte. Es bestehen laut Staatsanwältin keine Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugen. Auch zwei andere Zeugen hätten dies bestätigt. Die Bushaltestelle habe sich auf der Schnackenburgallee Hausnummer 56 befunden und sei von Wall vor der Besichtigung der Schäden bereits repariert worden.

Vor der Firma Autoteile Mathies hätten Personen Steine zerschlagen. Die Steine und sonstigen Gegenstände, die auf der Straße lagen, seien von den Teilnehmern, da die Schnackenburgallee eine befahrene Straße ist und diese Gegenstände sich daher nicht schon vorher dort befunden haben können. Die Staatsanwältin sagt, dass sämtliche Zeugen ihre Aussagen ohne Widersprüche zu ihren damaligen Aussagen getätigt hätten. Der größte Teil des Fingers sei spätestens bei der Autobahnbrücke überwiegend vermummt gewesen. Dies würde auch das EPS-Webprotokoll bestätigen in dem es heißt „Schwarzer Block, Gesichter nicht mehr zu erkennen.“ Die Staatsanwältin sagt, dass Zeug*innen den Schwarzen Finger als bedrohlich beschrieben haben. Sie hätten Angst um ihr Auto gehabt, eine Zeugin habe die Türen des Bürogebäudes verschlossen. Laut der Staatsanwältin sei die Empfindung der Zeug*innen nicht durch die mediale Berichterstattung beeinflusst gewesen. Ihrer Ansicht nach würde die Gruppe optisch bedrohlich wirken im Unterscheid zum grünen oder blauen Finger.

Die Staatsanwältin bezieht sich auf die Zeugen Jokschat und Elwert, die einen Bewurf auf die Einheit Eutin mit Steinen, Pyrotechnik und Rauchkörpern ausgesagt haben. Für Meesenburg gibt es keine Anhaltspunkte, dass diese Aussagen nicht glaubhaft sind. Der Zeuge Koenig-Marx, der angab keinen Bewurf gesehen zu haben, als er an der Kreuzung ankam, sei immer wieder aus dem Fahrzeug ausgestiegen, so dass er den Bewurf nicht mitbekommen haben könnte. Bei den Aufnahmen des Wasserwerfers sei zudem aufsteigender Rauch zu sehen und es liegen zwei Gegenstände auf der Straße. Die Kamera des Wasserwerfers habe aber nicht den ganzen Bereich der Straße erfassen können. Die Zeugen Janzer und Bruse, welche den Bewurf nicht mitbekommen hatten, hatten laut der Staatsanwältin kein gutes Blickfeld und waren beschäftigt. Außerdem sei die Situation hektisch gewesen.

Die Staatsanwältin geht auf die EPS-Webprotokolle ein und meint, dass die Meldung 14 „200 Personen, Schwarzer Finger, Kräfte wurden mit Pyro angegangen“ nicht von der Blumberg Einheit stammen kann, da deren Meldung erst später kam. Die Meldung sei somit fälschlicherweise der Einheit Blumberg zugeordnet worden. Die Meldung müsse entweder von der Einheit Eutin kommen oder von Hünfeld. Auch dann bezöge sich die Meldung auf den Bewurf von Eutin.

Der Bewurf der Blumberg-Einheit habe stattgefunden als die Beamten abgesessen und die Pfeil-Aufstellung eingenommen hatten. Erst nach dem Bewurf sei die Blumberg-Einheit losgelaufen.

Die Staatsanwältin erwähnt ein weiteres Mal, dass der Angeklagte eine Kapuze getragen und die Angeklagte eine Sturmhaube aufgehabt hätte. Beide hätten dunkle Jeans, dunkle Jacke und Schuhe mit weißen Sohlen getragen. Es konnte nicht festgestellt werden, ob sich die Angeklagten am Bewurf beteiligt haben oder Wurfgeschosse mitgeführt haben.
Meesenburg sagt, dass Starke und Ritter von der Blumberg-Einheit nichts von den anderen Einheiten gewusst hätten uns somit eine geplante Einkesselung widerlegt sei. Der „Massenanfall von Verletzten“ sei nicht durch die Polizei verursacht worden, wie es fälschlicherweise in der Presse stand, sondern durch das Wegbrechen des Zaunes. Schäden an PKW seien im Tumult entstanden und nicht beabsichtigt gewesen.

Die Staatanwältin sagt, dass der Schwarze Finger nicht Teil eines Farbkonzeptes im Rahmen von Color the Red Zone gewesen sei, sondern eine eigene Aktionsform. Er habe nicht das gleiche Aktionsziel wie die anderen Finger gehabt, sondern er sollte Polizeikräfte provozieren und binden. Bereits in der Schnackenburgallee gab es eine erhebliche Störung der öffentlichen Ordnung. Dies sei nicht in Einklang zu bringen mit dem Aktionsziel die rote Zone zu erreichen. Die Farbwahl hätte zu einer anderen Reaktion der Polizei geführt. Meesenburg zitiert aus dem Flyer „Fight G20“ in dem es heißt „Dabei lassen wir uns weder von Strafgesetzen noch von irgendwelchen SozialdemokratInnen vorschreiben, wie und wann wir unseren Widerstand artikulieren dürfen. Wir wählen unsere Aktionsformen selbst“. Der Wortlaut legt laut der Staatsanwältin nahe, dass nicht nur gewaltfreie Aktionen vorgesehen sind.

Der Schwarze Finger sei nicht auf der Pressekonferenz von BlockG20 vertreten gewesen, sondern nur grün, lila und blau. Außerdem gäbe es eine Mitteilung vom 07.07.2017 von BlockG20 in der es heißt alle Finger sind in der Roten Zone, während der Schwarze Finger zu diesem Zeitpunkt bereits am Rondenbarg festgesetzt worden war.

Laut Meesenburg müssen die Angeklagten damit gerechnet haben, dass es zu Gewalttätigkeiten kommen kann. Beide Angeklagte hätten sich durch ihre Kleidung dem Erscheinungsbild des Schwarzen Fingers angepasst, insbesondere durch die Schuhe mit den weißen Sohlen, auch wenn der eine Angeklagte nicht die gleiche Schuhmarke getragen habe. Den Angeklagten habe klar gewesen sein müssen, dass das gemeinsame Marschieren auf Außenstehende bedrohlich wirken musste. Die Sturmhaube, die eine Angeklagte getragen haben soll, soll der Verunmöglichung der Identifizierung gedient haben.

Der eine Angeklagte habe laut Meesenburg eine grobe Kenntnis der Aktion gehabt, da AKAB mit in die Planung eingebunden gewesen sei im Rahmen des Bündnis Fight G20. Die Broschüre von Fight G20 würde auch optisch Gewaltbereitschaft ausdrücken, da dort eine vermummte Person abgebildet sei. Lebensnah sei davon auszugehen, dass der Angeklagte in die Planung einbezogen war, da ein Treffen in Bonn stattgefunden habe. Sie zitiert aus sichergestellten Aufzeichnungen, laut denen eine gezielte Vorbereitung von AKAB auf die Proteste gegen den G20-Gipfel stattgefunden habe. Der VS NRW stufe AKAB als gewaltorientiert ein.

Laut der Staatsanwältin können den Angeklagten die gewaltsamen Ausschreitungen nicht verborgen geblieben sein. Das Einschlagen der Scheiben der Bushaltestelle müssen die Angeklagten mitbekommen haben, ebenso die anderen genannten Taten. Der eine Angeklagte habe im Verlauf der Wegstrecke seine Kapuze aufgesetzt. Er habe sich mit den anwesenden Gewalttätern solidarisiert. Die andere Angeklagte habe sich mit der Sturmhaube vermummt und bewusst beim Erscheinungsbild des Schwarzen Fingers mitgewirkt.

Meesenburg sieht die Aussagen des einen Angeklagten in einem Panorama-Video als nicht glaubhaft an. Darin hatte der Angeklagte gesagt, dass per Megafon Durchsagen gemacht wurden gegen den Angriff auf die Bushaltestelle. Andere Zeugen hätten keine Reaktionen aus dem Zug gesehen, die sich gegen die Straftaten gerichtet hätten. Der Angeklagte habe sich im Vorfeld mit anderen abgestimmt, was in der Öffentlichkeit gesagt werden soll.

Die Staatsanwältin bezieht sich auf den Zeugen Licht vom Landesamt für Verfassungsschutz Hamburg, der ausgesagt hat, das Schwarz für Militanz stehe. Somit hätten sämtliche Teilnehmer wissen müssen, worauf sie sich einlassen, wenn sie sich einem überwiegend schwarz gekleideten Finger anschließen. Es sei damit zu rechnen gewesen, dass es zu gewalttätigen Ausschreitungen kommen kann. Als Mitglied von AKAB müsse der eine Angeklagte gewusst haben, wofür die Farbe schwarz steht. Die Beweisaufnahme habe nicht ergeben, dass sich V-Personen innerhalb des Aufzuges aufgehalten haben. Der Schwarze Finger sei dem VS Hamburg vorab nicht bekannt gewesen. Es gab auch bei VS Niedersachsen keinerlei Erkenntnisse zum Einsatz von V-Personen im Schwarzen Finger.

Laut der Staatsanwaltschaft haben sich die Angeklagten nach Paragraf 125 Absatz 1 Nr. 2 Landfriedensbruch (Bedrohungen von Menschen mit einer Gewalttätigkeit,) in Tateinheit mit Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung und Beihilfe zur Sachbeschädigung strafbar gemacht. Die Staatsanwältin verweist dabei auf das BGH-Urteil im Elbchaussee-Verfahren vom 13.12.2021.

Die Bedrohung sei aus einer Menschenmenge erfolgt. Durch geschlossenes Auftreten, überwiegender Vermummung und einheitlicher Kleidung wurde ein Rückzugsort für Gewalttäter geschaffen. Die öffentliche Sicherheit sei gefährdet gewesen. Der Verkehr habe nicht mehr ordnungsgemäß fließen können, es sei zu Beschädigungen bei Straßen, Firmen und Bushaltestellen gekommen. Der Schwarze Finger habe auf Außenstehende bedrohlich gewirkt. Die Angeklagten haben sich nicht selbst an Gewalttätigkeiten beteiligt.

Die Staatsanwältin sagt, die bloße Zugehörigkeit zu einer gewalttätigen Menge sei nicht strafbar, es müsse entweder eine Mittäterschaft oder eine Beihilfe erfolgt sein. Bei Mittäterschaft wird ein eigener Beitrag geleistet, bei Beihilfe wird fremdes Handeln gefördert. Die Angeklagten haben Gewalt gegen Sachen und gegen die Polizei in Kauf genommen und haben sich dem Dresscode des Fingers angepasst. Sie haben dabei mitgewirkt den Gewalttätern einen Rückzugsort zu bieten. Die Angeklagten haben es billigend in Kauf genommen, dass es zu Gewalttätigkeiten kommt und haben sich mit Gewalttätern solidarisiert. Bei den Straftaten der Sachbeschädigung und der gefährlichen Körperverletzung handele es sich jedoch nicht um Mittäterschaft, sondern um Beihilfe. Bei der Bedrohung mit Gewalttätigkeiten sollen die Angeklagten dagegen einen täterschaftlichen Beitrag geleistet haben und als Täter die Bevölkerung und die Polizeikräfte bedroht haben.

Meesenburg gibt an, dass durch diese Bewertung nicht die Versammlungsfreiheit nach Artikel 8 Grundgesetz eingeschränkt werden würde. Denn mit den beginnenden Ausschreitungen habe sich das Erscheinungsbild geändert und es habe sich nicht mehr um eine grundgesetzlich geschützte Versammlung gehandelt. Artikel 8 gelte nur für friedliche Versammlungen.

Im Unterschied zur Anklageschrift handele es sich bei den Geschehnissen aber nicht um einen unbenannten besonders schweren Fall von Landfriedensbruch, da der Sachschaden nicht übermäßig hoch sei, im Gewerbegebiet nur wenig Menschen vor Ort waren, keine Personen verletzt wurden und die Angriffe auf die Polizeikräfte nur kurz andauerten. Im Vergleich dazu habe es im Fall der Elbchaussee einen erheblichen Sachschaden gegeben.

Bei der Beihilfe des tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte handele es sich um einen besonders schweren Fall, da gefährliche Gegenstände (Steine, Pyrotechnik) eingesetzt worden seien. Es genüge, dass andere Personen Steine geworfen oder mitgeführt haben. Die Angeklagten hätten dies billigend in Kauf genommen und einen unterstützenden Beitrag geleistet. Sie hätten sich mit den Gewalttätern solidarisiert und sie bei deren Ausführung unterstützt, indem sie ihnen einen Rückzugsort geboten hätten.

Die Polizeieinheiten seien rechtmäßig im Einsatz gewesen. Da ein Anfangsverdacht des Landfriedensbruchs vorgelegen habe, sei das Aufstoppen des Aufzuges und die Anwendung von unmittelbarem Zwang berechtigt gewesen. Dazu sei auch keine Durchsage zur Auflösung erforderlich gewesen, da es sich bereits nicht mehr um eine geschützte Versammlung gehandelt hätte. Die Blumberger Einheit sei nach Paragraf 163b Strafprozeßordnung (Maßnahmen zur Identitätsfeststellung) berechtigt gewesen gegen die ganze Gruppe vorzugehen, da diese schwarz gekleidet war. Mildere Maßnahmen seien nicht in Betracht gekommen und wären auch nicht zielführend gewesen. Eine unverhältnismäßige Anwendung von Gewalt durch einzelne Beamte hätte auch keine Relevanz bezüglich der Strafbarkeit der Angeklagten.

In der Anklageschrift war die Bildung bewaffneter Gruppen genannt. Hier will die Staatsanwaltschaft nach Paragraf 154a Strafprozessordnung (Beschränkung der Verfolgung) verfahren.

Die den Angeklagten vorgeworfenen Straftatbestände sehen Freiheitsstrafen von sechs Monaten bis 10 Jahren beziehungsweise von einem Monat bis 5,7 Jahre vor.

Es gebe jedoch mildernde Umstände, da die Tatzeit über sieben Jahre her ist, die Angeklagten zum Zeitpunkt der Tat noch sehr jung waren, die Hauptverhandlung sehr lange dauerte und beide Angeklagte in Polizeigewahrsam waren und nicht vorbestraft sind. Die Angeklagten haben keine eigenhändigen Straftaten begangen oder gefährliche Gegenstände mit sich geführt. Die Geschehnisse hatten nicht die Dimension wie bei der Elbchaussee.

Freiheitsstrafen unter sechs Monaten werden nur verhängt, wenn besondere Umstände, die in der Tat oder der Persönlichkeit des Täters liegen, die Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlich machen. Dies sei im Falle der Angeklagten nicht gegeben, daher plädiert die Staatsanwältin auf eine Geldstrafe in Höhe von 150 Tagessätzen zu 15 Euro bei dem Angeklagten und 40 Euro bei der Angeklagten. Davon sollen 60 Tagessätze bereits als vollstreckt gelten. Um 15:30 Uhr endet das Plädoyer der Staatsanwältin.

Am 27. August werden die Plädoyers der Verteidigung und die politischen Abschlusserklärungen der Angeklagten folgen.