Prozessbericht 18 vom 27.06.2024

Alle Prozessbeteiligten sind anwesend. Der ausgeschlossene Schöffe Wegmann wurde gegen die Ersatzschöffin, die bereits seit dem ersten Prozesstag anwesend war, ausgetauscht. Berufsrichter*innen und Verteidiger*innen haben wegen der hohen Temperaturen keine Roben an. Der Prozess startet etwa 9:40 Uhr. 14 Prozessbeobachter*innen sind anwesend.

Die Richterin verliest einen Vermerk, in dem sie mitteilt, dass der Schöffe Wegmann ausgeschlossen wurde und dafür die bisherige Ersatzschöffin eintritt. Der Antrag auf Befangenheit gegen die Richterin wurde abgelehnt. Über den Befangenheitsantrag hatten die Berufsrichter Pohle und Wegmann sowie ein weiterer Richter am Landgericht geurteilt.

Da der letzte Prozesstag in Anwesenheit des jetzt abgelehnten Schöffen verhandelt wurde, müssen die Zeugen noch mal gehört werden, es sei denn alle stimmen zu, darauf zu verzichten. Die Richterin betont, dass sie mit Befangenheitsanträgen keine Erfahrung habe, insbesondere nicht mit welchen, die angenommen werden.

Zeuge Volker Siebensohn, Kriminalbeamter in Hamburg, 53 Jahre, Dienststellenleiter LKA 71 „Lage/Analyse“, Unterabteilung des LKA 7, Staatsschutz wird vernommen. Siebensohn führt die operative Auswertung im Extremismusbereich durch. Er war damals stellvertretender Leiter der Vorbereitungsgruppe G20. Es liegt ein Bericht vor, „Colour the Red Zone“, welchen aber nicht er, sondern sein Kollege Többen angefertigt habe.

Siebensohn wird von der Richterin nach Erkenntnissen und Bezügen zu Bonn befragt. Siebensohn antwortet nicht darauf, sondern schwingt stattdessen eine Rede zu Gipfelprotesten und Aktionen zu ähnlich großen Anlässen: von gewalttätigen Globalisierungsgegnern beim WTO-Treffen in Seattle 1999, über G8 in Genua 2001 und G8 in Heiligendamm 2007, bis hin zur NATO-Konferenz in Straßburg und Kehl 2009. G20 sei der größte Einsatz der Nachkriegsgeschichte in Hamburg gewesen. Der OSZE-Gipfel im Dezember 2016 in Hamburg kam auch noch hinzu. Die Gefahrenprognose sagte 7000 bis 8000 gewaltbereite Linksextremisten voraus, die auch Teil der Finger sein würden.

Er spricht von der Anreise mit dem Sonderzug, von drei verschiedenen Bündnissen und deren Planungen. Die Organisierung der „Welcome to Hell“-Demo ordnet er der autonomen Szene zu, das Bündnis „G20 entern“ dem Roten Aufbau. Der Rote Aufbau sei auch an den Aktionskonferenzen beteiligt gewesen, auch wenn das nicht belegbar ist. Dort wurde vereinbart, die Fünf-Finger-Taktik anzuwenden, um die Protokollstrecken zu blockieren. Die Mitglieder des Roten Aufbaus würden immer wieder durch politisch motivierte Straftaten auffallen und seien verbal-militant. Der Rote Aufbau sei aus der Roten Szene Hamburg hervorgegangen und für gewalttätige 1.-Mai-Demos verantwortlich. Siebensohn hebt die Wichtigkeit von Camps für die Mobilisierung hervor. Nachdem das Camp in Entenwerden gerichtlich verboten wurde, hätte sich die autonome Szene aus der Campfrage zurückgezogen und der Rote Aufbau hätte sich mit der Frage befasst.

Wie auch der Verfassungsschützler aus Hamburg am 30.05.2024, erzählt er von den verschiedenen Gruppierungen: antiimperialistisch, anarchistisch, autonom. Beispielshaft berichtet er von der Interventionistischen Linken, die aus zirka 30 verschiedenen Gruppierungen bestehe, eher autonom eingestellt sei, aber Zugang zur Masse suche.

Die Richterin erkundigt sich nochmals nach Bezügen oder Kontakt zu Bonner Gruppen wie AKAB und BJB. Siebensohn erwidert, dass es Kontakt zwischen dem Roten Aufbau und Bonner Gruppen gegeben haben wird, auch wenn es nicht belegbar ist. Sie haben dazu keine Erkenntnisse, AKAB gehöre aber der antiimperialistischen Szene an und wurde damals vom Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen als gewaltbereit eingestuft. Sie wären Teil des antiimperialistischen Bündnisses 3A gewesen.

Siebensohn spricht davon, dass innerhalb der „Linksextremisten“ die Vermittelbarkeit von Militanz diskutiert werden würde. Als nicht vermittelbar gelte Gewalt gegen Personen, wobei dabei manchmal gegenüber Polizei und Rechten Ausnahmen gemacht würden.

Die Richterin sagt, dass sie seine Ausschweifungen gerne beenden und wieder die Kurve kriegen würde zum Thema „Colour the Red Zone“. Siebensohn gibt an, im Vorfeld keine Erkenntnisse zum Schwarzen Finger gehabt zu haben. Die Richterin wundert sich, dass es nur über den Schwarzen Finger keine Kenntnisse gegeben habe. Siebensohns Antwort ist, dass es aus dem Camp heraus keine polizeiliche Erkenntnislage dazu gab. Ziel der Finger sei es gewesen, Polizeikräfte zu binden, um anderen Fingern zu ermöglichen in die Rote Zone zu gelangen. Die Finger seien auf Blockaden ausgerichtet gewesen.

Der Schwarze Finger sei laut Siebensohn vom Roten Aufbau maßgeblich organisiert und geleitet worden. Dem Roten Aufbau sei dabei ein Vertrauensvorschuss gegeben worden, alle anderen hätten sich dann angeschlossen. Die Richterin fragt nach, woher er diese Erkenntnis habe, und Siebensohn antwortet, dies seien klassische gruppendynamische Prozesse der Menschheit. Die Richterin fragt weiter, woher er die Erkenntnis habe, dass der Rote Aufbau den Schwarze Finger organisiert habe. Siebensohn sagt, das sei für ihn schlichtweg plausibel und eine logische Konsequenz, ohne jedoch auszuführen, woraus es eine Konsequenz sei. Vermutlich meint er, es sei für ihn plausibel aufgrund des unterstellten höheren Grad der Militanz. Die Richterin verweist auf thematische und regionale Bezüge bei der Zusammensetzung des Fingers, sowie auf den vorherigen Polizeizeugen Anochin, der davon sprach, er habe im Rondenbarg Kinder vom Zaun geholt. In Anbetracht dessen würden Siebensohns Ausführungen für die Richterin fast etwas verschwörerisch klingen. Sie hakt entsprechend erneut nach, wer sich wie anschließen habe können und was das bedeutet hinsichtlich der Frage, was jede einzelne Teilnehmer*in gewusst haben kann. Siebensohn erwidert, dass Personen Teil gewesen sein könnten, die nicht wussten, wo sie mitgelaufen sind und wofür dieser Finger steht. Laut Siebensohn steht dieser Finger für Militanz.

Die Richterin erkundigt sich dann noch nach schwarzen Schuhen mit weißer Sohle und Anglerhüten und ob er letzterem früher schon mal begegnet sei, also ob es ein Zeichen sei oder so. Davon wisse Siebensohn nichts.

Anwalt Richwin verweist auf den damalig öffentlichen Aktionskonsens. Außerdem will Richwin wissen, wie es zum Logo der Soko Schwazer Block kam. Auf dem Logo ist eine vermummte Person mit Zwille abgebildet. Beides war in den achtziger Jahren keine Straftat. Das Bild wurde auch von einer Punkrockband als Plattencover genutzt. Siebensohn gibt an, keine Ahnung zu haben und an der Logo-Entscheidung nicht beteiligt gewesen zu sein.

Außerdem verweist Richwin auf die überregionale Zusammensetzung der Festgenommenen und darauf, dass es sehr naheliegt, dass Verfassungsschutz im Finger mit dabei war. Denn einerseits wurde ein Aktivist vom Roten Aufbau festgenommen, der sehr wahrscheinlich unter Beobachtung stand. Andererseits auch Menschen aus Göttingen, wobei, wie sich später herausstellte, eine Göttinger Gruppe unterwandert war.

Anwalt Wedel merkt an, dass ganze fünf Personen aus Hamburg am Rondenbarg festgenommen wurden. Etwas wenig, um ihnen die Leitung zuzuschreiben. Außerdem könne man sich heutzutage auch ohne vorherige Ortskenntnis über Google ein Bild von einer Stadt machen.

Zeuge Siebensohn wird unvereidigt entlassen.
Die Mittagspause geht von 11:45 Uhr bis 13:10 Uhr.

Die Richterin gibt bekannt, dass aufgrund der Anwesenheit des befangenen Schöffen alle wesentliche Teile des letzten Prozesstages wiederholt werden müssen. Die Richterin schließt nochmal die Selbstleseverfahren der Urkundenlisten I, II und III. Und nun auch die Urkundenliste IV.

Die Richterin stellt zur Diskussion, ob die Zeugen Jens Lohdal, Einsatzführer des „Einsatzabschnitts Aufklärung“ während des G20, sowie Martin Nicko, BFE Blumberg noch einmal vorgeladen werden müssen. Die Richterin findet Nicko unerheblich. Das sieht die Staatsanwältin auch so. Die Verteidigung hält die Aussage bezüglich des Einsatzauftrages an die BFE Blumberg für verfahrensrelevant. Die Staatsanwältin will das Lohdal noch mal kommt. Das Gericht will noch mal drüber nachdenken, ob beide Zeugen noch mal geladen werden.

Alle Anträge und Erklärungen von Verteidigung und Staatsanwaltschaft, die am 13. Juni verlesen wurden, werden förmlich wiederholt.

Richter Werner hat Kontakt zum Verfassungsschutz Niedersachsen aufgenommen. Ob der Präsident kommt, ist unklar, da er gegebenenfalls nicht viel beizutragen hat, da er damals noch nicht im Amt war. Sie suchen noch nach einer geeigneten Person, die etwas zur enttarnten Verfassungsschutz-Vertrauensperson sagen kann, welche auf die Göttinger Linke angesetzt war und sich beim G20 2017 an mehreren Blockadeaktionen beteiligte.

Anwältin Rohrlack regt an, über die weitere Terminierung zu sprechen, da die Termine nicht ausreichen werden. Bisher wurde zu vier weiteren Terminen geladen: 18. und 19. Juli sowie 15. und 16. August. Die Richterin hatte bereits den 29. und 30. August vorgeschlagen.

Anwältin Rohrlack regt an nochmal über eine Einstellung nach Paragraph 153 zu sprechen, auch da in anderen Rondenbarg-Verfahrensgruppen durch andere Landgerichtskammern eine Einstellung nach Paragraph 153a vorgeschlagen wurde. Die Staatsanwältin schließt eine Einstellung nach Paragraph 153 aus und kündigt an, sich wegen einer Einstellung nach Paragraph 153a absprechen zu wollen. Anwalt Richwin und Wedel geben zu bedenken, dass der Prozess aufgrund von Lohnausfall, Fahrtkosten und Übernachtungen eine erhebliche Belastung darstelle, und es einen Fall gebe, wo nach Paragraph 153 eingestellt wurde, was jetzt auch hier an dieser Stelle angezeigt wäre. Das Gericht ist für alles offen. Die Richterin regt die Staatsanwältin an, auch über 153 nachzudenken aufgrund der Belastung der Angeklagten. Sie geht aber davon aus, dass am Ende der BGH entscheiden wird.

Es folgt eine Erklärung der Staatsanwaltschaft zu einer Erklärung von Anwalt Schrage zu behaupteten Metallbügel am Fronttransparent der Demonstration. Es wird sich ein vergrößertes Foto angeschaut, auf dem so etwas zu sehen sein soll.

Anwältin Rohrlack gibt eine Erklärung ab zu den im Rahmen des Selbstleseverfahrens eingeführten Berichten und Protokollen der Zeug*innen Groth, Thordsen und Elvert. In der Erklärung wird festgestellt, dass die Angaben der Zeug*innen Groth und Elvert ergeben, dass ein Steinbewurf auf die Polizeieinheit aus Eutin an der Ecke Schnackenburgallee/Rondenbarg nicht stattgefunden hat. Die Zeugin Groth hat in ihren Aussagen von 2017 berichtet, dass es an der Ecke keinen Kontakt von Polizeibeamten und Demonstrierenden gegeben habe, da sie Polizeikräfte nicht habe sehen können. Sie hätte es in ihrer Aussage erwähnt, wenn sie an der Ecke Schnackenburgallee/Rondenbarg Steinwürfe auf Polizeifahrzeuge wahrgenommen hätte. Die Angaben des Zeugen Elvert sind in sich nicht schlüssig, da er in seiner Aussage verschiedene Richtungen angibt, aus denen er sich der Demonstration genähert haben will. Außerdem lassen sich seine Schilderungen in keiner Weise mit den Angaben seines Kollegen, dem Beamten Koenig-Marx, der sich mit ihm zur gleichen Zeit im Fahrzeug befand, in Einklang bringen. Koenig-Marx gab in seiner Aussage 2017 an, keinen Bewurf gesehen zu haben, als er an der Kreuzung ankam. Die Angaben beider Zeugen schließen sich aus, da sich beide am gleichen Ort befanden. Hinzu kommt, dass weder die Eutiner Einheit noch eine andere Polizeieinheit einen Bewurf laut der EPS-Webprotokolle gefunkt hatte.

Der Zeuge Bruse bekundete in der Hauptverhandlung, dass er einen Bewurf auf jeden Fall gefunkt hätte, so einer stattgefunden hätte. Auch aus dem in Augenschein genommenen Wasserwerfer-Video lässt sich nicht entnehmen, dass auf der Kreuzung ein Steinbewurf stattgefunden hat. Auf dem Video lassen sich im Kreuzungsbereich keine Spuren eines massiven Bewurfs mit Pflastersteinen und zerbrochenen Gehwegplatten finden. Die Bekundungen des Zeugen Elvert sind daher unglaubhaft.

Weiterhin geben die Angaben der Zeugin Groth Hinweise darauf, dass es verdeckte Ermittler beziehungsweise Vertrauenspersonen auf dem Camp gegeben haben muss, die bereits im Vorfeld aktiv gewesen sein müssen. Bereits zwei Wochen vor dem 07.07.2017 habe es eine Mail gegeben, in welcher darüber informiert worden sei, dass sich „Störer“ mit schwarzen Oberteilen, blauen Hosen und Anglerhüten bekleiden würden.

Anwalt Schrage gibt eine Erklärung ab zur Skizze vom Aktionstag, die bei der Hausdurchsuchung eines anderen Angeklagten gefunden wurde. Dieser Skizze komme kein Beweiswert zu, weil völlig unklar sei, wer die Verfasser*innen der Skizze seien. Auch unklar sei, ob das Papier bei Vorbereitungstreffen konsensual verabschiedet wurde oder ob es überhaupt zur Diskussion stand. Den zwei Angeklagten, die gerade vor Gericht stehen, ist die Skizze jedenfalls nicht zuzuordnen. Als Zielrichtung wird die Rote Zone benannt, als Ziel selbst Blockaden. Beschädigung von Bushaltestellen oder Kleingewerbe werde als nicht vermittelbar abgelehnt. Ein konsensual veröffentlichtes Aktionsbild bestätigt hingegen, dass die Proteste vermittelbar und zugänglich sein sollten, dass das Ziel der Aktionen am Freitagmorgen die Blockade der Zufahrtswege war, Polizeiketten umflossen werden sollten und keine Eskalation vonseiten der Demonstrierenden ausgehen sollte. Die Proteste suchten also nicht die Auseinandersetzung mit der Polizei.

Anwalt Richwin gibt eine Erklärung ab zu den mitgeführten Gegenständen seines Mandanten. Diese weisen nicht darauf hin, dass er mit Auseinandersetzungen rechnete. So wurden bei ihm keine Wechselkleidung, keine Sturmhaube oder Handschuhe gefunden. Er führte aber ein iPhone mit sich was hochpreisig ist. Außerdem wurde er in Zone 5 aufgefunden, die anderes als behauptet nicht zum Schwarzen Block gerechnet werden kann. In der Skizze, die den Festnahmeort in fünf Zonen einteilt, hat die Zone 5 keine Überschneidung mit dem dort skizierten Schwarzen Block. Die bei der Hausdurchsuchung gefundene E-Mail-Liste für den AKAB-Newsletter ist wiederum weder ein Beweis noch ein Indiz dafür, dass die eingetragenen Personen AKAB zugehören. Das eingeführte Protokoll revolutionärer Gruppen, dass bei einer Hausdurchsuchung eines anderen Angeklagten gefunden wurde, lässt auch keinen Rückschluss auf die beiden derzeit vor Gericht stehenden Personen zu. Zudem steht in dem Protokoll explizit, dass sinnlose Militanz und Eskalation vermieden werden sollen und es darum gehe, gezielt die Zufahrtswege zu blockieren.

Anwalt Wedel gibt eine Erklärung ab zu den mitgeführten Gegenständen seiner Mandantin. Diese sprechen nicht dafür, dass sie mit gewalttätigen Auseinandersetzungen gerechnet hat. Mit Hinblick auf eine mitgeführte schwarze Regenjacke wird auf den Wetterbericht am 07.07.2017 verwiesen, der Schauer und eine Tiefsttemperatur von 14 Grad prognostizierte. Außerdem ist die Person auf einem Polizeivideo, die die Staatsanwaltschaft als die Angeklagte ausmacht, nicht vermummt. Zudem befindet sich diese zur Zeit der Festnahme im Bereich der Zone 5, der nahe legt, dass sie sich nicht im Schwarzen Block befunden hat.

Anwalt Wedel gibt eine weitere Erklärung ab zum Wortprotokoll des Sonderausschusses „Gewalttätige Ausschreitungen rund um den G20-Gipfel in Hamburg“ der Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg vom 17. Mai 2018. Das Wortprotokoll ist vielsagend im Hinblick darauf, mit welcher Zielrichtung und welcher Grundeinstellung die Ermittlungen im Verfahren geführt wurden.

Der Zeuge Andy Grote – Hamburger Innensenator – hat im Sonderausschuss mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass die Ermittlungen nicht ergebnisoffen geführt wurden und für die Exekutive zu jedem Zeitpunkt bereits feststand, dass alle Versammlungsteilnehmer*innen sich strafbar gemacht haben. Von Beginn an wurde durch die Exekutive nicht in Betracht gezogen, dass es sich um eine grundrechtlich geschützte Versammlung gehandelt haben könnte. Die Landesregierung habe sich im Hinblick auf die Wertung des Sachverhaltes bereits öffentlich positioniert und festgelegt gehabt. Entsprechend hatte auch der Zeuge Hieber als Leiter der SoKo „Schwarzer Block“ vorläufige Ermittlungsergebnisse im Sonderausschuss bereits als feststehende Tatsachen präsentiert.

Der Zeuge Hartmut Dudde – Einsatzleiter beim G20-Gipfel – gibt gegenüber dem Sonderausschuss an, dass im Bereich des Camps eine Luftaufklärung der Polizei tätig war. Seitens der Einsatzleitung wurden alle Versammlungen, die aus dem Camp losgegangen sind, als farblich markierte Finger angesehen, auch der Schwarze. Dudde führte zu ihrer Einsatztaktik auf Seite 12 aus: „taktisch wollten wir die Versammlungen und Aufzüge Richtung Örtlichkeiten gehen lassen und an taktisch günstiger Gelegenheit sozusagen für einen geordneten Verlauf sorgen. Also keine Versammlung ohne Anmelder, welcher Marschweg soll gegangen werden, wo geht es hin. Das machen wir aus taktischen Gründen, weil, also sich in Grünanlagen Aufzügen entgegen zu stellen und zu hoffen, dass man die kanalisieren kann, bewährt sich nicht, sondern wir brauchen einen Bereich, wo wir links und rechts einen Anhalt haben, also Bebauung, um Aufzüge aufzustoppen“.

Diese Aussage stützt die Einschätzung, dass von vornherein durch die Einsatzleitung das Stoppen und Einkesseln aller vom Camp losgelaufener Finger an taktisch günstiger Stelle ohne Fluchtmöglichkeiten geplant war. Der Auftrag der Einsatzkräfte war laut Dudde „grob anhalten, aufstoppen und Straftaten beenden.“ Dudde kommt zum Ergebnis: „Und im Rondenbarg ist das dann so gelaufen, wie wir uns das auch vorgestellt hatten.“ Der Einsatz der BFE Blumberg scheint dementsprechend nach Ansicht des Zeugen Dudde genau das gewesen zu sein, was seitens der Einsatzleitung geplant und erwünscht war.

Anschließend wird über die weiteren Prozesstage gesprochen. Bisher fehlen noch die Zeugen*innenaussagen von zwei Bundespolizist*innen der Wasserwerferbesatzung HÜN 1, die Zeug*innenaussage von einer passenden Person des Landesamtes für Verfassungsschutz aus Nordrhein-Westfalen. Mit Lohdal und Nicko, die wahrscheinlich noch mal gehört werden, sind es also fünf Zeug*innen.

Die gesetzten vier verbliebenen Termine – 18. und 19. Juli sowie 15. und 16. August – werden nicht ausreichen. Es werden noch mindestens zwei weitere gebraucht. Es wird nach Terminen gesucht. Es stellt sich heraus, dass der Angeklagte N. ab September im Ausland arbeiten möchte. Neben den beiden Terminen, die das Gericht schon vor Beginn des Prozesses festhielt, falls die festgelegten Termine nicht ausreichen – 29. und 30. August – werden wahrscheinlich noch die Tage 26. und 27. August hinzukommen.

Der Prozesstag endet um 15 Uhr.