Prozessbericht 14 vom 16.05.2024

Der Prozess beginnt um 09:40 Uhr im Saal 288. Nach wie vor müssen sich Besucher*innen den zeitraubenden Sicherheitskontrollen an einem Extraeingang unterziehen. Einer der Schreiber*innen des Prozessberichts kann erst im dritten Anlauf, nach einer halben Stunde in den Saal. Anwesend sind die Richter*innen Boddin, Pohle und Werner, drei Schöff*innen, Staatsanwältin Meesenburg, die beiden Angeklagten und ihre Anwält*innen – Schrage, Rohrlack, Wedel und Richwin – sowie acht Prozessbeobachter*innen. Die Mikrophonanlage funktioniert zuerst nicht, wird auf Wunsch des Publikums besser eingestellt, trotzdem sind im Publikum nur Teile der Verhandlung zu verstehen. Dreimal wird aus dem Publikum gebeten lauter zu sprechen, aber die Situation verschlechtert sich eher.

Zwei Polizisten werden als Zeugen befragt, der damalige Funksprecher der Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit (BFE) Schleswig-Holstein M. Bruse sowie der Fahrer desselben Fahrzeugs R. Janzer, die zusammen mit dem Polizisten Jokschat, dem ‚Zugführer‘ der Eutiner Polizeigruppe, im Wagen saßen. Siehe Prozessbericht 10 vom 22.03.2024. Beide Zeugen können sich nicht an Straftaten erinnern, verneinen Steinwürfe gesehen oder gehört zu haben. Außerdem würden diese protokolliert werden. In den Funkprotokollen, die dem Gericht bisher vorliegen, ist aber nichts dergleichen zu finden.

Zuerst wird der Polizist Bruse befragt. Er ist 63 Jahre alt, in schwarzer Polizeiuniform erschienen und arbeitet seit 2017 bis heute bei der ersten Hundertschaft der BFE Schleswig-Holstein in Eutin. Während des Einsatzes war es seine Aufgabe „die Funkgruppen zu führen“ in ‚Führungsassistenz‘ des Polizisten Jokschat, dem ‚Zugführer‘ der Eutiner Einheit. Befragt wird er zu zwei Themen: Ob vor dem Angriff der Blumberger BFE Steine oder Böller aus dem Schwarzen Finger geworfen wurden, an der Schnackenburgallee Ecke Rondenbarg und ob die dem Finger folgende Eutiner Polizei wissen konnte, dass dem Schwarzen Finger von vorne die Blumberger Polizisten entgegenkamen.

Für beide Fragen spielt der Funkverkehr und seine Gliederung in Funkgruppen eine Rolle und es gibt immer wieder Nachfragen zu den Erklärungen des Polizisten, welche Funkgruppen es gab, wie sie funktionierten, in was für einem Verhältnis sie standen, wer mit wem wann kommunizieren konnte und wie viele Protokolle des Funkverkehrs vorhanden sein müssten und wo.

Richterin Boddin beginnt die Befragung und will wissen, wann die Eutiner Polizeigruppe erstmals auf den Schwarzen Finger getroffen ist und welche Reaktionen aus dem Finger kamen. Der Polizist Bruse erklärt, dass ihm die Erinnerung nicht leicht falle, da die Ereignisse lange her seien und dem Einsatz eine kurze Nacht mit nur einer Stunde Ruhezeit vorhergegangen sei. Ob beim Zusammentreffen seiner Einheit mit dem Schwarzen Finger oder davor schon Straftaten passierten, wisse er nicht, er hat selbst keine gesehen. Gespräche im Nachhinein verneint er, also nicht über diese Aktion, eigentlich gibt es am Ende eine kurze Nachbesprechung, aber dafür war keine Zeit, es gab ja auch keine Maßnahme. Aus dem Auto heraus konnte er nur in Fahrtrichtung sehen und auch das nur eingeschränkt und er könne sich nicht daran erinnern, dass Steine geworfen worden seien aber, wenn welche geworfen worden wären, müsste es darüber Aufzeichnungen geben. Er hätte das dann per Funk gemeldet. Die Richterin hat nicht verstanden und fragt nach ob es Steinbewurf gab, was mit „nein“ beantwortet wird. Zwar sehe er nicht unbedingt, wenn etwas geworfen wird aber normalerweise werde darüber im Fahrzeug kommuniziert und wenn das Auto selbst getroffen wird, wäre das nicht zu überhören. Außerdem verneint er Beschädigungen am Auto. Ob er mit Jokschat, dem ‚Zugführer‘ darüber kommuniziert habe, wisse er nicht mehr.

Auf die Frage, wann sie die Anwesenheit der Blumberger Polizei bemerkt hätten erinnert der Zeuge „als wir ausgestiegen sind, sah man die Blumberger“. Ob diese denn erhöht standen wird weiter gefragt und bejaht.

Weiterhin möchte die Richterin wissen, an wen der Funkgruppenführer Meldungen sende, wenn er etwas beobachte? Wie die Funkgruppen aufgebaut seien? Der Befragte führt aus, dass eine Hundertschaftsführung mehrere, aus verschiedenen Bundesländern stammende, Züge leitete und dass es seine Aufgabe gewesen sei aus der Hundertschaftsführung kommende Informationen an seinen Zugführer Jokschat weiterzugeben. Jokschat selber habe nur an die eigene Abteilung, die Eutiner Polizeigruppe gefunkt. So lange er sich im Fahrzeug aufgehalten habe, konnte der Funkgruppenführer in maximal vier Rufgruppen senden, die für die Eutiner Polizist*innen entscheidende Rufgruppe sei aber die eigene BFE gewesen.

Später, auf erneute Frage der Richterin, ob bei Bewurf gefunkt worden wäre, heißt es „ja auf alle Fälle“, das müsse dokumentiert werden mit Angabe von Uhrzeit und wer was gemeldet habe. Zuständig für die Dokumentierung sei die Befehlsstelle der Funkführung in Hamburg. Die Richterin hält fest „Sie haben nix gesehen“ und will wissen „Wo haben sie hingeguckt?“. Auf die Antwort, dass der Polizist mit seinem Helm beschäftigt war, konkretisiert die Richterin, ob er schwarz Gekleidete gesehen habe? Was bejaht wird, allerdings nicht aus dem Wagen heraus, sondern erst beim Aussteigen, woraufhin die Richterin erneut nachfragt, ob er denn nicht aus dem Fahrzeug heraus, vor dem Anhalten schwarz Gekleidete gesehen habe, was der Polizist „jetzt nicht so bestätigen kann“. Er gibt an mit seinem Helm beschäftigt gewesen zu sein. Die Richterin hat nun verstanden und will wissen in was für einer Situation er seinen Helm aufsetze. In diesem Fall „war klar, dass wir aussteigen“ und es habe sich um eine „dynamische Situation“ gehandelt. „Wie dynamisch war die Situation?“, könne da nicht „etwas verschütt gehen“, erkundigt sich die Richterin, und ja, es könne was verloren gehen, „aber bei Bewurf wird das ins Fahrzeug gerufen“ und wenn Zugführer Jokschat „das gesagt hat, dann muss ich das auch hochgemeldet haben“, erklärt Funkgruppenführer Bruse.

Zum Ablauf erklärt der Zeuge, die Eutiner Polizisten stoppten ihre Wagen an der Schnackenburgallee Ecke Rondenbarg, fuhren dann ein Stück in den Rondenbarg hinein, bis sie die Eisenbahnschienen erreichten und dort ausstiegen, mit dem Auftrag den Schwarzen Finger aufzuhalten. Er habe keine Festnahmen und keine Straftaten beobachtet. Auf Nachfrage gibt er an, dass sein Fahrzeug als erstes in den Rondenbarg fuhr. Die Richterin erwidert, dass Jokschat etwas Anderes sagt. Die Richterin will wissen ob denn wer ausgestiegen sei, vor dem Einbiegen? Das könne sein, aber nach dem Einbiegen sei erst wieder nach Erreichen der Eisenbahngleise ausgestiegen worden.

Weiter fragt die Richterin, ob er unmittelbar nach dem Einsatz mit Kollegen darüber gesprochen hätte, speziell mit Jokschat? Was er „tatsächlich nicht“ gemacht hat. Auch in den sieben Jahren seither nicht, andere G20-Einsätze waren brisanter und es gibt eine große Fluktuation innerhalb der Einheit, wenige Kolleg*innen von damals die heute noch da sind. Gegebenenfalls hat er noch am selben Tag mit dem Fahrer – dem folgenden Zeugen – gesprochen.

Einer der beiden Richter erkundigt sich erneut nach dem Aufbau der Rufgruppen. Im Fahrzeug seien vier Rufgruppen geschaltet gewesen, eine Interne, eine Führungsrufgruppe für Aufträge der BFHu (Beweis- und Festnahmehundertschaft) ‚Briese‘, ein Aufklärungskanal ‚Kümo‘ sowie ein Führungskanal der Gesamtleitung. Außerhalb des Fahrzeugs seien nur zwei Rufgruppen geschaltet gewesen. Es habe sich um einen Gesamteinsatzabschnitt gehandelt, ohne Unterabschnitte aber mit besonderen Bereitschaftsräumen. Auch die Bundespolizei, zu der die Polizeieinheit ‚Blumberg‘ sowie andere gehörten, sei Teil des Gesamteinsatzabschnitts gewesen. Somit seien die Einsatzführer aller beteiligten Einheiten in der gleichen Rufgruppe verbunden gewesen und hätten Meldungen der Einheit ‚Blumberg‘ hören müssen, wenn auch nicht unmittelbar, das „dauert ein bisschen“.

Vom anderen Richter damit konfrontiert, dass dem Zugführer Jokschat zufolge beim Aussteigen Rauch per Funk weitergemeldet worden sei, entgegnet der Funkgruppenführer „nein, so etwas sei keine Meldung wert“. Der Richter fragt weiter, ob ein Ruf in den Zug gehen könne aber nicht nach oben, möglicherweise habe Jokschat den Bewurf in den Zug gemeldet aber nicht nach oben? „Kann sein“ kriegt er beide Male zur Antwort.

Dann lässt die Richterin ein Funkprotokoll an die Leinwand projizieren. Da die Projektion so klein ist, können Zuschauer*innen diese nicht lesen. Folgende Funkmeldung war für das Gericht, die Anwält*innen und Angeklagten sichtbar: „200 Personen (schwarzer Finger) Schnackenburgalle in den Ronden. Ergänzung: Kräfte mit Pyro angegangen“. Der Funkgruppenführer erklärt einige der im Protokoll verwendeten Abkürzungen und die Struktur des Protokolls. Es handelt sich um die Verschriftlichung von während des Einsatzes gefunkten Meldungen, wobei immer angegeben ist, wer an wen funkte und manche Meldungen auch später hinzugefügte Ergänzungen enthalten, die dann aber kenntlich gemacht sind. Das verwendete Programm „generiert“ automatisch die Uhrzeit der Niederschrift und hält sie neben der jeweiligen Meldung fest, das heißt, die angegebenen Uhrzeiten geben nicht den Zeitpunkt des jeweiligen Funkspruchs an, sondern wann dieser von der protokollierenden Person niedergeschrieben wurde – ein Punkt, den sich die Richterin später noch einmal bestätigen lässt. Auch wundert sich die Richterin, ob eine Person es denn schaffen könne das alles mitzuschreiben und der Funkgruppenführer pflichtet ihr bei, es sei schwierig. Schließlich wird besprochen welche Einheiten sich hinter den als Sender und Empfänger angegebenen Kürzeln verbergen. Beispielhaft wird der dreistufige Übermittlungsweg einer Nachricht besprochen, vom Funkgruppenleiter über die Befehlsstelle ‚Briese 400‘ an die Gesamteinsatzleitung ‚Kümo 1‘, beziehungsweise auf gleichem Weg, in umgekehrter Richtung, von dort zurück an den Funkgruppenleiter. Einer der Richter fühlt sich dabei an die ‚Stille Post‘ erinnert, was „tatsächlich so sein“ kann, weshalb eine „präzise und knappe“ Kommunikation wichtig sei, zumal zur damaligen Zeit noch keine Laptops zur Verfügung standen. Soweit die Erklärungen des Polizisten Bruse zur Anlage des Protokolls. Nicht restlos klar wird, ob das Kürzel ‚Formel 900‘ für die Polizeigruppe Blumberg steht, wovon der Funkgruppenleiter ausgeht, was aber noch anhand der „Unterlagen“ überprüft werden müsse.

Einer der Richter beginnt inhaltlich zu fragen, ob denn die Beauftragung zur Verlegung der Eutiner BFE auch im Protokoll dokumentiert sein müsse? Was zwar der Fall sei, allerdings konnte das Gericht die Stelle im Protokoll nicht finden, was dann wohl bedeute, stimmen Richter und Befragter überein, dass es versäumt wurde sie protokollarisch zu erfassen. Aber hätten nicht alle im Funkprotokoll erscheinenden Einheiten die Beauftragung zur Verlegung mithören müssen? Nein, nicht unbedingt, nur wenn sie sich in der gleichen Rufgruppe befanden. Verständnislosigkeit beim Richter; der Befragte versucht zu erklären, es könne sein, dass Funksprüche „untergingen aber wenn sie in unserer Rufgruppe sind, kann ich’s hören“. Anhand der Skizze vom Einsatz ließe sich herausfinden, wer in welcher Rufgruppe war. Der Richter fragt weiter, wie es sein könne, dass die Polizeigruppen ‚Eutin‘ und ‚Blumberg‘ nicht voneinander gewusst hätten? Etwa wenn die Blumberger aus einem anderen Abschnitt zur Hilfe herangezogen wurden, könne das sein, was aber den Richter wundert, waren beide Einheiten doch per Funk verbunden. Das räumt auch der Befragte ein, ja da hätte er es hören können aber „es gingen auch Sachen verloren“.

Es wird gefragt wie der Einsatzbefehl an die Eutiner Polizeigruppe lautete als sie dem Schwarzen Finger entgegen geschickt wurde. Den genauen Wortlaut erinnert er nicht, aber es ging darum eine schwarz gekleidete Personengruppe zu begleiten und wenn möglich aufzustoppen. Normalerweise werde in solchen Fällen aufgestoppt, die Anmeldung der Versammlung geklärt und eine Demonstrationsroute festgelegt. In diesem Fall sei die Situation aber dynamisch geworden, bevor aufgestoppt werden konnte und als die Eutiner BFE aus ihren Autos stiegen, war die Personengruppe schon in den Rondenbarg eingebogen. Die Richterin erkundigt sich, ob das Fahrzeug in dem sich der Zeuge befand direkt hinter der Gruppierung hergefahren wäre oder ob sich zwischen ihm und der Gruppe noch weitere Fahrzeuge befunden hätten. Bruse erwidert, dass zuerst das Führungsfahrzeug hinterherfuhr. Der Richter erkundigt sich wieso für ein „Kooperationsgespräch“ Helme aufgesetzt wurden, wo doch bisher nichts passiert war? Das habe damit zu tun, dass die Blumberger BFE, Wasserwerfer und der entsprechende Einsatz zu sehen waren. Darauf merkt der Richter an, laut Jokschat habe es eben doch Anlass gegeben die Gruppe zu stoppen, es habe sich nicht um einen reinen Routineeinsatz gehandelt und will erneut wissen, wieso Helme aufgesetzt wurden, wenn es nur um ein Kooperationsgespräch ging. Ob das eventuell mit der schwarzen Kleidung zusammenhing? Nein, grundsätzlich werde die schwarze Kleidung nicht als Bedrohung gesehen, allerdings sei es hier bereits in der Nacht zuvor zu Ausschreitungen gekommen. Dennoch ging es lediglich darum den Aufzug aufzustoppen.

Damit wird die Verhandlung für eine kurze Pause unterbrochen, in der die Funkgruppen vom Befragten Polizisten schematisch skizziert werden. Die Skizze wird nach der Pause an alle Prozessteilnehmer*innen verteilt. Die Richterin nimmt die Befragung wieder auf und stellt anhand der Skizze fest, dass die Eutiner BFE der Befehlsstelle ‚Briese 400‘ zugeordnet waren, zusammen mit anderen Beweissicherungs- und Festnahmehundertschaft aus Hamburg, Bremen und Mecklenburg-Vorpommern. Meldungen erfolgten dem Schema zufolge immer nach oben an die Gesamtleitung, wo auch protokolliert wird. Beispielsweise meldete der Befragte mit Rufzeichen ‚Utin 65/90‘ an die Befehlsstelle ‚Briese 400‘, die dann weiter berichtete an die Gesamteinsatzleitung ‚Kümo 1‘, bei der alle Meldungen zusammenliefen.

Richter Werner möchte wissen, ob Einheiten auf unterer Ebene direkt in Verbindung treten konnten, ohne den Umweg über die Gesamteinsatzleitung? Ihm wird mitgeteilt ‚Briese‘ und ‚Blumberg‘ konnten nur an ‚Kümo‘ melden, und ferner: nur wenn ein Funker die entsprechende Rufgruppe eingeschaltet hat, könne er mithören, was dort gefunkt wird. Daraufhin fragt der Richter wie es dann sein kann, dass laut Protokoll ‚Formel 900‘ direkt an ‚Briese 400‘ funkte? Wo doch dem Schema zufolge ‚Formel 900‘ nur an die übergeordnete Stelle ‚Kümo‘ funken können sollte? Die Antwort ist, dass möglicherweise alle derselben Rufgruppe zugeteilt waren, dass eventuell ‚Formel 900‘ für diesen Einsatz ‚Briese 400‘ unterstellt worden sei. Solche Änderungen könnten auch kurzfristig, während eines Einsatzes, von statten gehen. Der Befragte will sich aber auch nicht darauf festlegen lassen, dass ‚Formel‘ ‚Briese‘ unterstellt wurde, sieht darin bloß eine mögliche Erklärung für die direkte Funkverbindung.

Die Frage wie es denn sein könne, dass weder ‚Formel‘ von seiner Einheit wusste noch umgekehrt, wo doch beide Teil derselben Rufgruppe waren und sich über Funk hätten hören müssen, erklärt der Befragte damit, dass jede Einheit über eine eigene interne Rufgruppe verfüge. Das sei auch nötig. Wenn alle alles mithören würden, würde die Kommunikation zusammenbrechen. Im Fall der Eutiner leitete der Zugführer Jokschat die in den Zug hineingehende Rufgruppe.

Abschließend möchte der Richter wissen, auf welchen Ebenen der Funkverkehr protokolliert werde und erhält zur Antwort, dass „ganz oben für alle“ protokolliert werde, dann auf Ebene des Gesamtabschnitts, sowie auf Ebene der Befehlsstellen, etwa ‚Briese 400‘. Die Frage ob auch innerhalb des Zugs protokolliert wurde verneint der Zeuge.

Anschließend wird der Zeuge von den Anwält*innen befragt, beginnend mit der Beschwerde des Anwalts Richwin, dass die Staatsanwältin während der Unterbrechung Separatgespräche mit dem Zeugen geführt habe, dabei die Funk-Hierarchie-Skizze gezeichnet wurde und entsprechend Beweise nicht ordnungsgemäß eingeführt werden. Weiter fragt der Anwalt, ob nach dem Einsatz am Rondenbarg die Eutiner BFE von ‚Kümo‘ über ‚Briese‘ den Einsatzbefehl bekamen zum Blauen Finger zu fahren. Das „kann sein, wir sind danach in die Stadt gefahren“, antwortet der Befragte und auf die Feststellung des Anwalts „hier steht, der Blaue Finger wurde aufgestoppt!“ weiß er nicht, ob das so war. Dass das Fingerkonzept angewandt wurde, sei den Polizist*innen aber bekannt gewesen, auch wenn er sich nicht daran erinnern könne, ob er mit anderen Fingern zu tun bekam, eventuell mit dem Blauen. Auch an Fahnen in weiteren Farben könne er sich erinnern. Daran wie in anderen Fällen aufgestoppt wurde, etwa im Fall des Blauen Fingers, kann sich der Polizist nicht mehr erinnern.

Er weiß aber, dass er hier zum ersten Mal über den Einsatz am Rondenbarg befragt wird. Daran, dass der Zugführer Jokschat ausgesagt habe, Polizist*innen seiner Einheit nach dem Einsatz per WhatsApp befragt zu haben, ob ihnen etwas aufgefallen wäre, kann sich der Funkgruppenführer nicht erinnern.

Anwalt Schrage fragt erneut nach der im Funkprotokoll festgehaltenen Meldung von ‚Formel 900‘ direkt an ‚Briese 400‘, die jetzt vom Zeugen damit erklärt wird, dass direkte Meldungen auf dem kurzen Dienstweg ausnahmsweise möglich seien, der normale Weg aber über ‚Kümo‘ laufe. Bei dem Einsatzfahrzeug habe es sich um einen Sprinter gehandelt in dem er hinten rechts platziert war, hinter dem kastenförmigen Funkgerät, das die gesamte Breite des Wagens einnahm und ihn von seinem Kollegen Jokschat trennte. An Steintreffer am Fahrzeug könne er sich nicht erinnern, er weiß aber, dass er auf keinen Fall welche gehört hat und wenn es welche gegeben habe, müssten sie dokumentiert seien.

Der Anwalt Richwin fragt, ob die Meldung von Bewurf im Protokoll der Rufgruppe ‚Briese 400‘ festgehalten und an ‚Kümo‘ weitergeleitet worden sein müsste, was der Funkgruppenführer bejaht.

Von Anwältin Rohrlack gefragt, erklärt der Zeuge die Eutiner Einheit sei, bevor sie zum Rondenbarg geschickt wurde, bis etwa 2 oder 3 Uhr in Hamburg im Einsatz gewesen, habe dann Gelegenheit zum Duschen gehabt und habe sich ab 3 oder 4 Uhr an einer wichtigen Brücke in der Innenstadt in Bereitschaft befunden. Auf die Frage, Teil welcher Funkgruppen er gewesen sei, erklärt der Funkgruppenführer, er sei während des gesamten Einsatzes Teil der Funkgruppe ‚Briese 400‘ gewesen, der Rest habe variiert. Weiterhin bestätigt er, dass jeder Teilnehmer einer Funkgruppe alles hören kann, was in ihr gesendet wird, sowie selber in ihr senden kann.

Damit endet die Befragung des ersten Zeugen.

Es folgt die Befragung des Zeugen Janzer. Janzer ist Fahrer bei der BFE Eutin. 44 Jahre alt, damals wie heute gleiche Dienststelle. Die Richterin interessiert seine Darstellung der Situation auf der Schnackenburgallee Ecke Rondenbarg. Janzer war mit seiner Einheit an einer Brücke in der Innenstadt stationiert bis der Alarm kam und sie zur Schnackenburgallee verlegt wurden. Er war der Fahrer des ersten Fahrzeuges der Einheit, sie kamen aus dem Süden, fuhren Richtung Rondenbarg bis sie eine Menschenmenge nach rechts in den Rondenbarg einbiegen sahen. Sie selbst haben kurz vor dem Rondenbarg angehalten, um zu sehen, ob sie reinfahren können. Es war frei, sie fuhren etwa 100 Meter und hielten vor den Schienen.

Die Richterin fragt, ob sie die Menschenmenge sahen während sie fuhren oder als sie standen. Janzer antwortet, dass als sie gestanden haben alle schon weg waren. Die Richterin fragt, was sie gucken wollten und ob und was sie gehindert hat reinzufahren. Janzer meint, vielleicht aus Sicherheitsgründen, es handele sich um einen Routinemaßnahme. Die Richterin erkundigt sich, ob vor dem Reinfahren jemand aus dem Fahrzeug ausgestiegen ist. Janzer weiß es nicht. Daraufhin erkundigt sich die Richterin nach der Kleidungsausrüstung, wann diese angezogen wurde und was Janzer trug. Janzer hatte Helm und Weste. Einzelne Polizist*innen haben während der Einfahrt begonnen sich „aufzufrüsten“, als Fahrer habe der Befragte Janzer aber seinen Helm noch nicht aufgehabt. Teile der Ausrüstung lagen aber noch im Kofferraum, wo sie nach dem Einsatz vom Vortag zum Trocknen ausgelegt wurden. Die Richterin will daraufhin wissen, ob dabei jemand ausgestiegen ist. Janzer erwidert, dass möglicherweise ausgestiegen wurde, es dann die Entscheidung gab weiterzufahren und von der Straße runter zu kommen. Die Richterin erkundigt sich nach dem Kontakt zu Jokschat. Janzer antwortet, dass Jokschat nicht mit ihm per Funk gesprochen hat, an Rückfragen per WhatsApp kann er sich nicht erinnern. Er sei aber nicht explizit auf ihn zu gekommen. Boddin erkundigt sich nochmals, ob sie ausgestiegen sind um nach Schäden am Auto zu gucken. Janzer erwidert, dass er nicht ausgestiegen ist und auch nach nichts geguckt hat.

Richter Pohle fragt, ob sie beim Einbiegen in die Kreuzung et1was auf der Straße gesehen haben. Janzer hat keine Erinnerung.

Anwalt Richwin erkundigt sich nach dem weiteren Verlauf, wo Janzer nach dem Einsatz am Rondenbarg war. Janzer erinnert sich nicht. Richwin fragt, ob er später, zwei Straßen weiter, eine ähnliche Situation hatte. Janzer erinnert sich nicht. Anwältin Rohrlack fragt, ob ihr Auto zuerst abgebogen ist. Janzer bejaht. Rohrlack fragt, ob er Rauch gesehen hat. Janzer verneint. Rohrlack erkundigt sich, wie ihre Entscheidung anzuhalten zustande kam, ob sie einen entsprechenden Befehl hatten. Janzer meint, es war seine Entscheidung. Auf der Fahrbahn waren keine Hindernisse zu sehen, die Leute waren bereits hinter der Kurve verschwunden. Sie konnten durchfahren bis zu den Schienen.

Daraufhin fragt die Richterin nach, ob das Weiterfahren seine Entscheidung war oder die des Zugführers. Sie fragt außerdem, ob die nächsten Fahrzeuge eine Ansage bekommen haben zu folgen. Janzer erwidert, dass sie einfach so folgten. Eventuell wurden sie aber auch per Funk informiert.

Daraufhin wird ein Video angeschaut, auf dem Fahrzeuge der Eutiner Hundertschaft an der entsprechenden Stelle zu sehen sind. Die Richterin will wissen, ob das sein Fahrzeug sei. Janzer verneint, es sei das Auto von Kollegen zu sehen und stellt fest, dass sie also schon drin waren. Er erkenne dies am Zeichen oben am Auto.

Der Zeuge wird unvereidigt entlassen.

Die Richterin teilt mit, dass der Aktionsplan eingeführt werden soll, denn bisher wurde nur die Skizze eingeführt. Sie kündigt weitere Selbstleseverfahren an.

Auf Anwalt Wedels Antrag vom 25.04.2024, Hubschraubervideos hinzuzuziehen, die es gemäß einer kleinen Anfrage an den Senat durch Abgeordnete der Hamburger Bürgschaft gibt, erwidert die Richterin, dass sie kein Hubschraubervideo gefunden haben und von nichts wissen. Sie weist an, diese Aussage im schriftlichen Vermerk aufzunehmen. Sie fügt hinzu, dass der Hubschrauber in der Elbchaussee für das Verfahren nicht relevant sei und ein niedersächsischer Polizeihubschrauber nicht gefunden wurde.

Nach der Mittagspause die von 12:10 Uhr bis 13:15 Uhr geht, sagt die Richterin an, dass das Wortprotokoll der öffentlichen Sitzung des Sonderausschusses „Gewalttätige Ausschreitungen rund um den G20-Gipfel in Hamburg“ der Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg vom 17.05.1018 als Urkundenbeweis die Zeugenvernehmung von Andy Grote, Ralf Martin Meyer, Hartmut Dudde, Jan Hieber, Torsten Voß, Bern Krösser und Norman Grossmann entsprechend nach § 251 Absatz 1 Nr. 1 StPO ersetzt. Alle Verfahrensbeteiligten haben ihr Einverständnis gegeben. Aufklärungspflicht gebiete die Vernehmung nicht.

Es wird Anlage 55 der Urkundenliste IV als Selbstleseanordnung in die Hauptverhandlung eingeführt. Ebenso die Augenscheins- und Verlesungsliste VI Anlage 56 sowie die Urkundenliste III Anlage 57 vom 25.04.2024.

Es werden Teile der Broschüre und des Flyers „Fight G20 – Gegenmacht aufbauen“ von der Richterin verlesen. Das Eingangszitat eines Liedtextes der Musikgruppe „Moscow Death Brigade“ auf Seite 3 wird auf Deutsch übersetzt. Die Aktionen mit Datum und Ort auf Seite 5, der Abschnitt „Kämpfe verbinden – Gegenmacht aufbauen“ auf Seite 6 sowie die beteiligten Gruppen, die Beiträge zur Broschüre beigesteuert haben, werden verlesen. Die Richterin erwähnte bereits vor der Mittagspause und nun noch einmal, dass die Broschüre von mehreren Gruppen unterzeichnet wurde, unter anderem von der Antikapitalistische Aktion Bonn (AKAB), die eine der verantwortlichen Gruppen sei. Es wird folgend auf den Beitrag „Klimawandel und Naturzerstörung“ der AKAB in der Broschüre hingewiesen.

Es folgt die Inaugenscheinnahme eines Screenshots der Facebook-Seite des Roten Aufbaus Hamburg. Es wird ein Bild vom Camp gezeigt, auf dem ein Rotes Brett neben einem Zelt zu sehen ist, auf dem steht „Großes Blockadevorbereitungstreffen, Donnerstag 22 Uhr Barrio Rosso“.

Es werden Lichtbilder aus den Personenakten der beiden Angeklagten gezeigt, und zwar Fotos von der Festnahme sowie Bilder während und kurz nach dem Angriff der Polizei, auf denen sie laut Staatsanwaltschaft vermeintlich zu erkennen sind. Die Richterin wundert sich, ob diese Bilder nicht schon einmal angeschaut wurden.

Es folgen Bilder aufgenommen bei der Hausdurchsuchung vom 05.12.2017 bei dem Angeklagten N. – Bilder von den durchsuchten Räumen, Plakate, Flyer und Kleidung. Ein Plakat der Bonner Jugendbewegung (BJB) gegen den Naziaufmarsch in Remagen am 18.11.2017, ein Pullover mit der Aufschrift „rote-antifa.org“ sowie „Antifaschistische Aktion“, ein Newsletter der Antikapitalistischen Aktion Bonn sowie ein Transparent der AKAB mit dem Schriftzug „Gegen die Diktatur des Kapitals“.

Es werden weitere Bilder von Telefonen von zwei anderen Rondenbarg-Angeklagten gesichtet. Außerdem ein Video vom Parkplatz vom Rondenbarg, gefilmt von einem Kraftfahrer aus dem LKW heraus, auf dem der Angeklagte N. zu sehen sei wie er über die das Geländer auf den tiefer gelegenen Parkplatz klettert.

Die Richterin kündigt für den nächsten Prozesstag, den 30.05.2024, den Zeugen H. Licht vom Landesamt für Verfassungsschutz Hamburg an. Es geht um Erkenntnisse über die Planung, Organisation und den Ablauf des Camps im Volkspark Altona während des G20-Gipfels, insbesondere zu beteiligten Personen und Organisationen, zur Rolle eines im gleichen Verfahren, aber einer anderen Gruppe zugehörigen Angeklagten und des Roten Aufbaus Hamburg, zu Erkenntnissen zum Aufruf unter dem Motto „Fight G20“, zum Bündnis „G20 entern“, zum Roten Aufbau Hamburg und dessen Bündnispartnern sowie zu etwaigen Verbindungen des Roten Aufbaus Hamburg zur Antikapitalistischen Aktion Bonn, zu Erkenntnissen zu etwaiger Militanz dieser Gruppierungen, Erkenntnisse zu Versammlungen, die in den Morgenstunden des 07.07.2017 im Volkspark Altona „ihren Anfang nahmen“. In Frage steht auch, ob sich Mitarbeiter*innen des Landesamts für Verfassungsschutz vor Ort befanden, auch innerhalb der einzelnen Versammlungszüge.

Polizeihauptkommissar Starke ist derzeit krank. Zum 13.06.2024 sind zwei Zeugen geladen, die der Bonner Jugendbewegung und der Antikapitalistischen Aktion Bonn zugeordnet werden und bei Fabios Prozess ausgesagt hatten. 2019 haben sie in dem Ermittlungsverfahren „Rondenbarg“ wie insgesamt 86 Personen eine Anklageschrift erhalten. Da sie selbst angeklagt sind, haben sie die Möglichkeit die Aussage zu verweigern (Auskunftsverweigerungsrecht § 55). Beide haben sich noch nicht auf die Ladung zurückgemeldet. Die Richterin geht davon aus, dass, wenn sie nicht aussagen, sie sich vorher melden werden.

Außerdem merkt sie an, dass der Prozess doch nicht vor der ursprünglich geplanten Zeit beendet sein wird, sondern nach jetzigem Stand doch bis August dauert.

Daraufhin erkundigt sie sich, ob die beiden Angeklagten N. und A. sich zu ihrer Person erklären wollen. Beim letzten Prozesstag hatte sie ihnen mitgegeben darüber nachzudenken, ob sie aussagen. Rohrlack, die Anwältin von N., äußert „erstmal nicht“. Die Richterin weist darauf hin, dass es irgendwann nicht mehr möglich sein wird. Die Angeklagte A. verneint per Kopfschütteln.

Die Richterin schließt gegen 14:30 Uhr den Prozesstag mit dem Hinweis, dass es drei Ebenen von EPS-Protokollen gibt, die mittlere Ebene der Gesamteinsatzabschnitt ‚Kümo 1‘ vorliegt und gegebenenfalls ‚Brise 400‘ interessant sein könnte.